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Rezension: Wie es ist und war – David Constantine – Antje Kunstmann Verlag

Das Leben ist chaotisch, mysteriös und durchlässig.

Wie es ist und war – David Constantine (Autor), 320 Seiten, Verlag: Kunstmann, A (20. September 2017), 24 €, ISBN-13: 978-3956141980

Eine beeindruckende Sammlung von 17 Kurzgeschichten, die mich fragen lässt. Warum habe ich von diesem Autor noch nie gehört?

Die Qualität dieses Autors möchte an der ersten Geschichte, die dem Buch auch den Titel gab, deutlich machen:

Eine ältere Frau kommt nach Hause, findet ihren Mann in einem seltsamen Zustand, und fragt ihn in verärgertem Ton: „Was ist jetzt los?“ Ihre Frage öffnet eine alte Wunde, deren Ursache nicht sofort klar wird, auch wenn wir erfahren, dass der Mann gerade herausgefunden hat, dass der Körper einer Frau, die er gekannt hatte, in einem Schweizer Gletscher gefunden wurde, der durch die globale Erwärmung abgeschmolzen die Leiche frei gegeben hat. Wer ist die gefrorene Frau, und warum bedroht ihre Entdeckung, die jahrzehntelange Ehe des Paares?

Die symbolische Verknüpfung des Gedächtnisses mit einem Körper, der in seiner ewigen Jugend durch einen Gletscher bewahrt wurde, der eindringliche Kontrast zwischen den verblassenden Lebensenergien des älteren Protagonisten und seiner romantischen Jugend, das darzustellen ist nicht einfach. Aber David Constantine hat ein bemerkenswertes Gespür für die poetische Prosa und er verbindet geschickt dieses Symbol in der Geschichte mit kaum wahrnehmbaren Klangverschiebungen, als sich die Geschichte entfaltet.

Durch alle Geschichten ziehen sich Felsen, Eis und Wind, wie ein Meilenstein, der hervorragend die Charaktere unterstützt. Constantines Protagonisten neigen dazu, Einzelgänger zu sein, mit insgesamt angespannten und anstrengenden Beziehungen. Seine künstlerische Vision, wie das Land, das er als Hintergrund nimmt, ist düster und schroff; eine harte Seele ist erforderlich, um sich darin zu bewegen.

Zu den verschiedenen Charakteren gehören Ex-Mönche, Prostituierte, Hausbesitzer, erfolgreiche Geschäftsleute und Universitätsprofessoren, die aber alle durch einen gemeinsamen Faden von stillen Leiden und Würde verbunden ist. Das Tragische und das Schöne in jeder ihrer Erfahrungen wird durch die makellose Beredsamkeit und die poetischen Bilder des Autors verstärkt.

Ein Buch, das hoch literarisch ist – in der Art und Weise, wie die Geschichten konventionelle Storytelling-Methoden aussuchen und den Leser herausfordern, auf Nuancen von Technik und Charakter zu achten. Gleichzeitig stürzt diese Mischung aus Phantasie und Allegorie den Leser tief in das grenzenlose Land der menschlichen Psyche.

Mir scheint eine Kernaussage aller Geschichten zu sein: Das Leben ist zu chaotisch, zu mysteriös und durchlässig, um in singuläre Kategorien zu passen. Ein ausgesprochenes Lesevergnügen mit Tiefgang.

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Rezension: Requiem für den amerikanischen Traum – Noam Chomsky – Antje Kunstmann Verlag

Scharfsinnige und entlarvende Analyse des Neo-Liberalismus

Requiem für den amerikanischen Traum – Noam Chomsky (Autor), Gabriele Gockel (Übersetzerin), Thomas Wollermann (Übersetzer), 192 Seiten, Verlag: Kunstmann, A; Auflage: 1 (30. August 2017), 20 €, ISBN-13: 978-3956142017

Noam Chomsky ist Linguistik-Professor der M.I.T. und seit sechs Jahrzehnten ein führender linker politischer Analytiker, Kritiker und Schriftsteller.

Einkommens- und Vermögensunterschiede in den USA (aber ähnlich auch in Deutschland) sind kein neues Thema. Dennoch scheint das Buch des berühmten Aktivisten frischer als jeder andere Titel zu diesem Thema. Das Buch basiert auf dem gleichnamigen Dokumentarfilm und ist eine Zusammenstellung von Interviews, die die Regisseure des Films mit Chomsky von 2011 bis 2016 durchgeführt haben. Chomsky beobachtet die heutigen Vereinigten Staaten mit einer so zugespitzten Klarheit, dass die Leser meinen könnten, dass sie vertrautes Terrain zum ersten Mal beträten.

Chomsky bietet 10 grundsätzlich Formeln an, nach denen die plutokratischen Interessen funktionieren. Es sind die Grundprinzipien des Neoliberalismus, dieser absurden Idee, dass die Märkte alle Aspekte der menschlichen Gesellschaft diktieren sollten. Er zerlegt die katastrophalen Konsequenzen dieser Ideologie für unsere Gesellschaft, Kultur und Politik. Er erklärt, wie die Konzerne die Öffentlichkeit, die Wissenschaft und die Massenmedien indoktrinierten, um sie für ein Projekt zu gewinnen, das das Leben von Arbeitern und Frauen verwüstet und das Gemeinwohl auslöscht. Jedes Versprechen der Befürworter des Neoliberalismus ist eine Lüge. Es ist ein Werkzeug, um den größten Transfer von Reichtum nach oben in der amerikanischen Geschichte durchzuführen, während es Lohn- und Nutzenreduktionen schafft und Arbeiter verarmen lässt. Es zerstört demokratische Institutionen. Es nutzt Handelsabkommen, um Steuerhinterziehungen zu ermöglichen. Es fördert, ja, es schafft geradezu pro-faschistische Bewegungen im In- und Ausland. Seine Macht, seine eigenen Gesetze und Vorschriften haben schließlich ein Mafia-Wirtschaftssystem und ein Mafia-politisches System geschaffen, das im Aufstieg zur Macht des Demagogen Donald Trump deutlich wird.

Noma Chomsky wirft ein klares, kaltes, geduldiges Auge auf die ökonomischen Tatsachen des Lebens und legt eine scharfsinnige und entlarvende Untersuchung der Kräfte vor, die die Ungleichheit in Amerika vorantreiben. Und nicht nur die in Amerika

Seine kühne und kompromisslose Vision, seine Perspektive auf die ökonomische Realität und ihre Auswirkungen auf unser politisches und moralisches Wohlergehen sind unbedingt lesenswert.

 

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Superkauz – Sean Taylor – Antje Kunstmann Verlag

Viel Spaß, viel Lachen für Kleine und Große

Superkauz: Meister der Verkleidung – Sean Taylor (Autor), Jean Jullien (Autor) 48 Seiten, Verlag: Kunstmann, A (20. September 2017), 15 €, ISBN-13: 978-3956142079

 

Der Kauz ist auf der Jagd. Es ist dunkel und er schießt durch den Himmel wie eine Sternschnuppe.

Er hat seine großen runden Augen auf ein leckeres Abendessen gerichtet … Mmmm.

Aah, ein Kaninchen. Aber wie kann man das Kaninchen fangen? Zum Glück für den Kauz, ist er ein Meister der Verkleidung, so dass er blitzschnell in ein Karottenkostüm schlüpft. Aber das Kaninchen riecht den Braten.

Weiter geht es. Da ist ein köstliches Lamm. Der Meister der Verkleidung macht einen schnellen Kostümwechsel. Er ist ein … flauschiges Mutterschaf, natürlich! Aber leider ist das kleine Lamm weg.

Immer wieder versucht er etwas zum Abendessen zu finden, aber leider, seine Kostüme schaffen es einfach nicht. Bis … Jaaa!!! Aber was sollte ein Kauz tragen, wenn er der Jagd auf eine Pizza macht?

Dieses Buch erzählt die Geschichte von dem tödlichen Jäger Superkauz mit vielen meisterhaften Verkleidungen in seinen Versuchen, sein Abendessen zu fangen. Seine Pläne können nicht immer funktionieren, aber er gibt niemals auf oder verliert das Vertrauen in seine verborgenen Fähigkeiten nie.

Dies ist ein lustig-gutes Buch zum Kringeln, das Kinder lachen lässt. Es gibt eine Menge zu lesen und vorzulesen. Und mit den wunderschönen, kontrastreichen Illustrationen werden sowohl Kinder als auch Design-Liebhaber sehr zufrieden sein. Mir gefällt besonders die Zeichnung des Kauzes: irgendwie schafft er es, unheimlich und zugleich komisch zu schauen, und die Einfachheit seiner Form macht all die verschiedenen Verkleidungen noch lustiger. Der tiefe Sinn für Humor wird jeden lächeln lassen. Eine lustige und leicht schräge Geschichte von einem Kauz, der doch nicht ganz der Meister der Verkleidung ist, der er zu sein glaubt. Wir folgen seinen verschiedenen Versuchen und sie sind alle sehr unterhaltsam! Die Abbildungen sind groß und voller kühner, auffälliger Farben.

Es ist ein schrulliges Buch, das das ganz nach dem Geschmack von Kinder ist. Eine originelle Geschichte und es vor allem geeignet zum gemeinsamen Lesen mit den Kindern.

Mein 4-jährige Nichte verehrt dieses Buch, und ich gebe gerne zu, ich auch.  Ein Bilderbuch, das du wirklich genießen kannst.

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Rezension: Kleine Schwester – Barbara Gowdy – Antje Kunstmann Verlag

Intelligent und spannend

Kleine Schwester – Barbara Gowdy (Autorin), Ulrike Becker (Übersetzerin), 288 Seiten, Antje Kunstmann Verlag, 30. August 2017, 22 €, ISBN 13: 9783956141966

Rose leitet ein Programm-Kino in Toronto, ein Ort, wo Menschen hinkommen, um sich in das Leben von Fremden zu verlieren. Als die Geschichte beginnt, ist es der Sommer 2005 und die Stadt wir über fünf Tag von plötzlichen Gewittern, starken Winden und kräftigen Donnern heimgesucht. Für die flüchtige Dauer dieser Stürme wird Rose in eine Art Zauber gezogen: sie verlässt ihren Körper und betritt den einer Fremden, einer Redakteurin namens Harriet, die in eine faszinierende Liebesbeziehung mit einem verheirateten Mann verwickelt ist. Auch Rose erlebt so etwas wie das Verlieben: Sie fängt an, die Wetterberichte sorgfältig zu verfolgen und ihre Tage neu zu ordnen, um sich für die nächsten zwei oder drei Minuten der Transmigration bereit zu machen und sehnt sich nach der nächsten Gelegenheit, in Harriet zu sein, um ihre Geschichte zu erleben und ihr Leben zu berühren.

Ich möchte das große Thema dieses Buches in einem Satz zusammenfassen:

Du kannst deinen Grenzen entgehen und jemand anderes werden, und damit kannst du auch in der Lage sein, das zu reparieren, was in deinem eigenen Leben gebrochen ist.

Rose ist 34 Jahre alt und ihr Leben ist seit Jahren genau das gleiche, nach einem strengen Zeitplan. Aber sie wird verfolgt vom Tod ihrer einzigen Schwester, ihrer kleinen Schwester, Ava, die in ihrer Kindheit gestorben ist. Sie fühlt sich für den Tod verantwortlich und fragt sich oft, ob sie ihr Leben verdient, nachdem Ava tot ist.

Es ist eine überzeugende Geschichte – mit einem Hauch von Geheimnis und dem emotionalen Gewicht der Memoiren – erforscht Sexualität, Schuldgefühle und die Grenzen des Selbst.

Der Großteil des Buches findet im Laufe einer Woche zwischen dem 29. Juni und 4. Juli 2005 statt. Es gibt auch Rückblenden auf Rose und Avas Kindheit in den frühen 1980er Jahren, die sich mit der Gegenwart abwechseln. Diese Rückblenden enthüllen das Geheimnis, was den Leser endlich entdecken lässt, nahe am Ende des Romans, wie und warum Ava starb.

Dieser Roman über stürmisches Wetter und emotionale Stürme, mit dem Zusammentreffen des Unheimlichen und des Unzüchtigen, des Oberflächlichen und der Tiefe, ist ein überraschend leicht zu lesen. Es ist lustig mit seinen liebevoll beobachteten Kleinigkeiten des alltäglichen Lebens und kann dich oft erschrecken. Mich erinnert es ein bisschen die Filme von Woody Allen: psychologisch sehr tief und doch nie mehr als ein Satz weg von einem spielerischen Knuffen in den Rippen.

Es ist genau die Art von intelligenten, begeisternden, spielerischen und einfühlsamen Literatur, die ich liebe. Eine spannende, fesselnde Erforschung der Schuld, der weiblichen Psyche und der Bürde der Weiblichkeit. Auch Sie werden diesen phantasievollen, verführerischen Roman lieben.

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Rezension: Borne – Jeff VanderMeer – Antje Kunstmann Verlag

Dystopisch, lyrisch und erschütternd

Borne – Jeff VanderMeer (Autor), Michael Kellner (Übersetzer) 367 Seiten, Verlag: Kunstmann, A; Auflage: 1 (20. September 2017), 22 €, ISBN-13: 978-3956141973

Eine Welt verwüstet von einem Biotech-Unternehmen, bevölkert von Menschen, Mutanten, Tiere und Hybrid-Kreaturen, die sich als fehlgeschlagene oder abgebrochene Biotech-Experimente ergeben.

Wir lernen drei Menschen kennen, die diese Welt bewohnen. Unser Protagonist, Rachel, ist ein Aasfresser in der gefährlichen Landschaft. Ihr Liebhaber, Wick, ist ein Ex-Mitarbeiter des Unternehmens, der Biotechnik in seinem Schwimmbad-Labor macht. Und „der Magier“ ein zwielichtiges Geschöpf, das, wie es gemunkelt wird, Munition und Soldaten sammelt, um die Kontrolle über das Land von ihm zu beherrschen. Und da gibt es diesen Bären namens Mord von der Größe eines Kaufhauses.

Das ist eine postapokalyptische Fiktion, eine Klage über den Verlust der Welt, in der wir jetzt leben. Mit dem Sturz der alten Ordnungsformen sind Rachel, Wick und die anderen Bewohner der Stadt in ein Ur-Reich von Mythos, Fabel und Märchen geworfen worden. Ihre Welt ist eine Version des verlorenen und sehnsüchtigen Territoriums von Phantasie und Romantik. Und dass wir wirklich nur dann wir selbst werden können, wenn wir aus den Zwängen einer komplexen, denaturierten Gesellschaft freigelassen werden, wenn wir leben dürfen, wie wir uns vorstellen können, dass es unsere Vorfahren einmal getan haben und wenn wir frei sind die zu sein, die wir unter unserer überzivilisierten Tünche wirklich sind. Er zeichnet eine Welt, die sowohl von Technologie als auch vom Übernatürlichen geprägt ist

Jeff VanderMeer kann sich gut in nichtmenschliche Lebensformen hineinversetzen. Doch die meisten Sci-Fi-Nichtmenschen neigen dazu, eine menschliche Erscheinung zu sein, die uns in Größe, Anatomie und in grundsätzlichen Ähneln ähneln und von uns nur in ein oder zwei hervorgehobenen Merkmalen abweichen. Und hier liegt der Unterschied bei VanderMeer: Er schafft wirkliche Unterschiede und er nähert sich nicht so weit wie möglich den Nicht-Menschen an sondern macht eine solche Annäherung auch unmöglich. Komplex und schön, mit vielen Ebenen, mit einer Vision des Nichtmenschen nicht als eine feste Sache, ein festes Schicksal, sondern als friedlich oder katastrophal. Trotzdem ist „Borne“ In seinem Kern ein Roman über menschliche Beziehungen.

Für mich ist dieses Buch eine der schönsten und glaubwürdigsten postapokalyptischen Erzählungen: Eine beträchtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass „Borne“ nicht nur eine zukünftige, namenlose Stadt ist; ein enormer, fühlender, zerstörerischer biotechnischer Bär und der liebenswerte, intelligente Kopffüßler, der dem Buch seinen Titel gibt.

Ein Buch, das insgesamt nicht ganz an die Kraft und Tiefe der Southern-Reach-Trilogie heranreicht, aber trotzdem ein ausgesprochenes Lesevergnügen bedeutet.

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Rezension: Der Tag, an dem ein Mann vom Berg Amar kam – Yavuz Ekinci – Antje Kunstmann Verlag

Wann? Wann? Eines Tages!

Der Tag, an dem ein Mann vom Berg Amar kam – Yavuz Ekinci (Autor), 192 Seiten, Verlag: Kunstmann, A (8. März 2017), 18 €, ISBN-13: 978-3956141669

 

Was bietet uns Yavuz Ekinci? Ein Märchen, eine Dystopie, ein Drama, eine Erzählung, eine Schöpfungsgeschichte, einen Roman? Es ist etwas von allem und noch viel mehr. Auf jeden Fall betreten wir eine magische Welt.

Der erste Abschnitt „Einer von jenen Tagen“ beginnt mit einer Idylle im Walnusstal am Berg Amar: Wunderbare Tier- und Landschaftsschilderungen. Aber hier gilt das Gesetz des Stärkeren, denn es geht um die archaische Natur, um den Adler, der über allen droht.

Im zweiten Abschnitt „Vor langer Zeit“ erleben wir all die Legenden und Mythen eines Volkes, die Sage von der schönen Sara, Amar und dem schwarzen Hengst Ba. Sie können als einzige und erste vom Walnusstal aufgenommen werden, während vorher Feldherren, Propheten, Herrscher und Könige bei ihrem Bemühen den Berg Amar zu bezwingen scheiterten.

Im Hauptabschnitt „Es war zu einer Zeit“ erleben wir im Walnusstal Menschen, die auf Katastrophe warten, die sich vor dem Augenblick fürchten, an dem es jemandem gelingt, dass Walnusstal einzunehmen und über dessen Bewohner Zerstörung zu bringen. Im Mittelpunkt stehen Opa Eyüp und seine drei Söhne, sowie seine Schiegertochter Peyruze. Im Schlusskapitel „Es war einmal, es war keinmal“ erleben wir die gleichen handelnden Personen. Und hier wird für den Leser auch die Verbindung zum ersten Teil ganz schlüssig. „Niemand hat einen anderen Freund als seinen eigenen Schatten.“ (Seite 142)

Natürlich steckt im Roman des kurdischen Autors Yavuz Ekinci ein Thema, mehr noch, eine Botschaft: Das ständige Warten auf die unausbleibliche Zerstörung der Heimat. „Sie kommen! Alle Dörfer weit und breit sind schon verbrannt. In manchen mussten die Männer splitterfasernackt durchs Dorf paradieren. In manchen haben sie alle Leute ohne Unterschied erschossen.“ (Seite 144)

Wie verhalten sich Menschen in dieser Ausnahmesituation? Stoisch? Schicksalsergeben? Hitzig erregt? Jammern? Klagen? Wildes Geplärre und Geplapper? Ziellos geschäftig? Gottesfürchtiges Beten? Das Dasein im Warten auf die Sichere Vernichtung beschreibt Yavuz Ekinci in kürzeren und längeren Szenen. Er spricht nicht explizit über den Krieg im Kurdengebiet, es ist aber klar, worum es geht. Das macht das Buch so stark. Der Autor erzählt nüchtern aber akkurat absteckt, was passiert, wenn der seinerzeit schon von Heraklit beschworene Vater aller Dinge von allen Seiten als der Weisheit letzter Schluss gesehen wird.

Es gelingt ihm eine ganz und gar zauberhafte, fesselnde und aufrüttelnde Erzählung.

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Rezension: Die vielen Namen der Liebe – Kim Thúy – Antje Kunstmann Verlag

Eine ruhige und meisterliche Geschichte

Die vielen Namen der Liebe – Kim Thúy (Autor), 150 Seiten, Verlag: Kunstmann, A; Auflage: 1 (8. März 2017), 18 €, ISBN-13: 978-3956141683

 

Vi ist der Name eines kleinen Mädchens, das mit seiner Mutter und sein drei Brüdern während des Krieges aus Vietnam geflohen ist. in einem Flüchtlingslager in Malaysia, zog die Familie weiter, um in der Nähe von Quebec in Kanada zu leben, wo sie eine unauffällige Jugend verbrachte. Sie beginnt dann in Montreal ein Studium des Rechts und der Sprachen und wird als Mitarbeiterin eines Hilfsprojekts nach Vietnam zurückkehren, findet Freunde, verliebt sich in einen französischen Mitarbeiter, arbeitet, reist viel … und lernt, wer sie wirklich ist. Nicht einfach, vor allem, wenn unser Name bedeutet „Winzige Kostbarkeit.“

Erzählt wird aus der Perspektive von Vi, der Jüngsten; und ihre Erzählung umspannt die Familiengeschichte von den 1950er Jahren bis in die Gegenwart. In ihre Gegenwart, Vi ist eine Einwanderin der zweiten Generation, eine moderne und zunehmend selbstbewusste Frau, die ihren Weg geht und doch permanent zerrissen wird zwischen den Traditionen, des Herkunftslandes und der Familie und den Freiheiten des „westlichen“ Lebens, die sie sich herauszunehmen wagt, um die sein zu können, die sie sein möchte.

Ein schönes und subtiles Buch über Heimat, Flucht und Ankommen, Liebe, Leid und natürlich das zentrale Thema der Arbeit von Kim Thúy: Exil

Die Themen sind sehr weitgespannt, aber Kim Thúy verliert sich nicht in einem großen Roman, sondern hält sich kurz. Der Romanist in kurze Kapitel unterteilt, und schön mit Sorgfalt entworfen bis auf die Detailebene. Sehr fein abgestimmt und ausgewogen poetisch. Ein unglaublich schönes Buch, mit diesem nostalgischen und melancholischen Anflug, den wir aus den anderen Büchern der Autorin kennen.

Mir scheint es ein autobiographischer Roman zu sein. Er zeigt in seinen kurzen Kapiteln alle geographischen und soziologischen Besonderheiten der Reisen, die den Leser auf die ganze Welt führen. Und es ist auch die Geschichte von Vietnam und seine Menschen, ihren Pflichten, und alle seine Traditionen und alle Überzeugungen. Es ist die Geschichte einer Entwurzelung und eine ständige Herausforderung, endlich Teil der neuen Gemeinschaft zu werden. Obwohl im Roman nichts besonders Dramatisches passiert, ist er zugleich doch sehr tragisch. Und einige Momente sind absolut erschütternd.

Kim Thúy schreibt sehr subtil, sensibel und auch sinnlich und empfindsam. Ja weich und geschmeidig, wie mit dem leichten und eleganten Pinsel eines Kalligraphen hingemalt. Ein schönes und zum Nachdenken anregendes Buch. Das vor allem durch Kim Thúys eigener Sprache überzeugt, die sehr schön und atmosphärisch ist und die die Konflikte beschreibt, ohne einen Stand für richtig oder falsch ein zu nehmen.

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Rezension: Madrid, Mexiko – Antonio Ortuño – Antje Kunstmann Verlag

Wir sind Reisende

Madrid, Mexiko – Antonio Ortuño (Autor), 200 Seiten, Verlag: Kunstmann, A; Auflage: 1 (8. März 2017), 20 €, ISBN-13: 978-3956141652

„Beim zweiten Schuss wusste er, dass er tot war.“ (Seite 11) Der Roman beginnt mit der Gewissheit des Todes. Alles was folgt ist der verzweifelte Kampf, um die Vollendung dieses Schicksal hinauszuzögern.

Antonio Ortuño erzählt zwei parallele, miteinander verwobene Geschichten, die einen Zeitraum von über 90 Jahren umfassen, von 1923 bis 2014. Die Verbindung zwischen den beiden sind die Familienbande seiner Figuren. Eine sehr komplexe Familiengeschichte. Kapitel und Charaktere wechseln zwischen dem Spanien der 20er Jahr, dem Spanien des Bürgerkrieges (1936-1939), dem Mexiko der spanischen Einwanderer zum Zeitpunkt des Bürgerkrieges und des aktuellen Mexikos der Nachkommen.

Und auch diese spanischen Emigranten der dritten Generation bleiben Ausländer, deren einzige Sicherheit die Unsicherheit ihrer Identität bleibt.

Der Autor erinnert an die extreme Situation von den Anhängern der Zweiten Spanischen Republik und dem Debakel und der Querelen der Linken auf der Iberischen Halbinsel; die andere Geschichte bezieht sich auf zeitgenössische Probleme, unter denen die Nachkommen der spanischen Exilanten in Mexiko leiden, die sich mit der täglichen Gewalt und der Rache auseinandersetzen müssen.

Der Roman befasst sich mit der Frage der nationalen Identität. Themen wie Migration und Grenzen, die mit Humor, Ironie, stilistische Präzision und viel Fantasie erzählt wird. Antonio Ortuño liefert ein klares und buntes Porträt von verschiedenen Epochen und Umgebungen; einprägsame Charaktere sowie einzelne Stimmen und Chöre in wenigen Pinselstrichen.

Aber Madrid, Mexiko“ ist auch für Antonio Ortuño eine Annäherung an seine Wurzeln. So sagte er in einem Interview: „Ich bin der Sohn von Einwanderern und ich fühlte mich immer ein wenig fehl am Platz“.

Ortuños Schreibstil ist wie ein Sirenengesang mit vielen Akkorden, wo es für den Leser darum geht, die Feinheiten in dieser sprachlichen Musik zu entdecken und sich dem fesselnden Tempo des Romans hinzugeben.

Antonio Ortuño, öffnet mit diesem unbequemen Roman die Tür eines Abgrunds. Ein Roman über den ungelösten Mexiko-Spanien Konflikt und über das heutige Mexiko als eine Mischung aus vielen Identitäten. Sehr lesenswert, aus literarischer und historischer Sicht.

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Rezension: Malen im All – Harriet Russell – Antje Kunstmann Verlag

Spaß und Wissen vereint

Malen im All: Ein Mal- und Mitmachbuch von Harriet Russell (Autorin), Benjamin Schilling (Übersetzer) 72 Seiten, Verlag: Kunstmann, A; Auflage: 1 (8. März 2017), 15 €, ISBN-13: 978-3956141775

Harriet Russel nimmt uns in sehr guten und unterhaltsamen Illustrationen mit auf eine spannende Reise in den Weltraum.

Es beginnt mit dem Urknall. Dann folgen die Planeten, der Mond, die Sterne, die Sternbilder, die Milchstraße, das Sonnensystem, die Milchstraße, die Kometen, die Asteroiden und viele andere himmlische Gegenstände.

Mir hat besonders gut gefallen, der köstliche Dialog zwischen einem fünfzackigen Stern und einem runden Stern, genauso wie der Monolog des Planeten Pluto.

Stilvolle und witzige Zeichnungen, lustige Texte, viele und vor allem humorvolle Aktivitäten, wie Labyrinthe, Puzzles und Spiele lassen die Kinder (und nicht nur Kinder) solide astronomische Informationen ganz spielerisch erfassen und erlernen. So erleben Kinder das erstaunliche himmlische Reich jenseits der Erdatmosphäre. Ganz gekonnt sind Aktivitäten wie die Berechnung ihres Alters in Jupiter-Jahren, die Schaffung eigener Sonnensysteme aus Früchten und die Navigation aus einem Schwarzloch-Labyrinth.

Harriet Russel, studierte Illustratorin, hat einen leichten und manchmal etwas surrealen Ansatz, der oft einen schrulligen Humor oder ein Gefühl der Ironie in ihre Bilder vereint. Handgezeichnete Schriftzüge, Worte und Wortspiel sind auch ein wichtiger Teil ihrer Arbeit.

Das Besondere an diesem Mal- und Mitmachbuch: Die Kinder werden auf jeder Seite neu überrascht. Mit viel Humor und interessanten Informationen schenkt der Autor den Lesern ein einzigartiges Erlebnis. Für engagierte Leser alle Altersstufen empfehlenswert.

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Rezension: Die Küche der Achtsamkeit – Tainá Guedes- Antje Kunstmann Verlag

Die Raffinesse des Einfachen

Die Küche der Achtsamkeit – Tainá Guedes, MOTTAINAI: Nichts verschwenden, kreativ kochen, gesund essen, 208 Seiten, 28,00 €, Antje Kunstmann Verlag, 08.03.2017, ISBN 978-3-95614-135-5

Die Geschichte des Menschen ist eigentlich eine Geschichte des Essens. Und wir reden heute gerne von früher und Omas Küche. Als ob es früher besser gewesen wäre? Oder wollen wir mit dieser Illusion dem heimtückischen Virus entfliehen, der sich Fastlife, schnelles Leben nennt, der unsere Gewohnheiten beeinträchtigt, unser Privatleben durchdringt und uns zwingt, Fastfood zu essen?

Alle landestypischen Küchen folgen der Aussage von Heinrich Heine: „Nichts ist köstlicher als die Raffinesse des Einfachen.“ Diese Küche bezeichnet man im italienischen gerne als „cucina povera“ – Arme-Leute-Küche. Das ist natürlich eine Fehlinterpretation, denn hier bedeutet povera nicht arm im Sinne von Besitz, sondern wenige, einfache Zutaten, die ihren Reichtum aus ihrer Einfachheit bezieht.

Und genau dem Konzept folgt auch Tainá Guedes mit dem japanischen Konzept von Mottainai: Respekt vor den Dingen und das Bestreben, entsprechend mit ihnen umzugehen und nichts mehr zu verschwenden. Sie nimmt die Sehnsucht nach bewusstem Umgang mit Lebensmitteln zum Anlass und feiert die genussvolle, inspirierende und kreative Verwertung von Resten.

In zehn Kapiteln und 50 Rezepten, mit wunderschönen Food-Fotografien gestaltet, zeigt Tainá Guedes, die als Kind einer japanischen Immigrantin in Brasilien aufgewachsen ist und heute in Berlin lebt, was „Mottainai“ für sie bedeutet.

Es gibt so verblüffende Rezepte wie „Schnitzel“ aus Bananenschalen (Seite 132), Salate aus Gemüseschalen (Seite 162) oder Kuchen aus überreifen Bananen (Seite 168). Aber auch klassische Gerichte wie Cuscuz Paulista aus Brasilien (Seite 19), torta verde aus Italien (Seite 104) oder Sukiyaki aus Japan (Seite 54). Auch Deutschland kommt mit Steinpilzserviettenknödel mit Kerbelsuppe (Seite 78) nicht zu kurz.

Es geht Tainá Guedes dabei nicht nur um gesunde, vegetarische Rezepte, sondern um kreatives Denken und eine bewusste Herangehensweise an Lebensmittel und Essen. Es geht ihr um die emotionale und kulturelle Bedeutung des Essens für den einzelnen Menschen und die Gesellschaft. Denn „die Art, wie wir essen, hat ganz direkte Auswirkungen auf die Welt, in der wir leben.“ (Seite 6)

Diese Mischung gelingt ihr in diesem liebevollen und sorgfältigen Buch ganz ausgezeichnet. Dass Kunst und Essen die zwei Herzen sind, die in der Brust von Tainá Guedes schlagen, merkt man besonders an der prachtvollen Buchgestaltung und -ausstattung.  So ist es nicht nur zum selber darin stöbern und nachkochen geeignet, sondern auch und vor allem eine ganz besondere Geschenkidee für Menschen, die Ihnen etwas bedeuten.

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http://www.kunstmann.de/titel-0-0/die_kueche_der_achtsamkeit-1222/

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