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Ich schreibe regelmäßig Essay zu Gesellschaft, Politik, Kultur und meinen Reisen

Essay: Die Weisheit der Sprache

Die Weisheit der Sprache …

…. oder wie wir das verraten, was wir nicht sehen wollen

Der Mensch besteht nicht nur aus dem Körper, sondern er bildet eine Einheit zwischen Seele, Psyche und Körper.

Wir erröten, erbleichen, zittern. Unser Herz klopft oder unser Puls jagt. Seelische Erregungen und Reaktionen des Körpers beeinflussen sich gegenseitig. Und unser Körper wird recht gefräßig, wenn die unsere Seele hungert und Mangel leidet an Liebe, Zuwendung und Geborgenheit. Und unausgesprochene Gedanken und Gefühle machen krank.

Der Volksmund sieht die Dinge schon richtig. Fast alle unsere Aussprüche und Redewendungen, die wir auf unangenehme, belastete Situationen anwenden, beziehen sich auf irgendeinen Körperteil, eine Körperfunktion oder einen Körperausdruck.

Das Herz

Das Herz ist unser Gefühlszentrum und der Sitz der Liebe. Es steht im Gegensatz zum Verstand und hat statt Wissen die Weisheit:

Sich etwas zu Herzen nehmen – Sein Herz verlieren – Mein Herz springt/zerspringt vor Freude – Das Herz rutscht in die Hose – Das Herz bleibt vor Schreck stehen – Es liegt mir sehr am Herzen – Hochherzig, kaltherzig, hartherzig, warmherzig, halbherzig, treuherzig oder unbarmherzig sein – Jemanden von ganzem Herzen lieben – Jemanden in sein Herz schließen – Die Herzen finden zueinander – Herzeleid und Herzenslust – Mit ganzem Herzen bei der Sache sein – Das gebrochene Herz – Tun, was der Herz einem eingibt – Sein Herz verschenken

Die Atmung

Jede gefühlsmäßige Veränderung spiegelt sich auch in der Atmung wider.

Da stockt mir der Atem – Da bleibt mir die Luft weg – Da wage ich kaum zu atmen – Eine atemberaubende Spannung – Eine atemlose Stille – Eine erstickende Atmosphäre – Da muss ich erst einmal Luft holen – Jemandem etwas husten – Jemanden anblasen oder anpfeifen – Dampf ablassen – Seiner Wut Luft machen

Die Sinnesorgane

Die Haare und die Haut

Ein Mensch kann leben, wenn er blind oder taub ist, weder hären noch schmecken kann. Aber ohne die Funktion der Haut ist er nicht lebensfähig, sage die blinde Helen Keller. Und außerdem: Die Haut ist das Spiegelbild der Seele.

Eine haarsträubende Situation – Etwas geht unter die Haut – Etwas kostet Haut und Haare – Etwas geht mir gegen den Strich – Ich möchte aus der Haut fahren – Ich bekomme eine Gänsehaut – Bei etwas Haut und Haar riskieren – Blass werden vor Schreck – Vor Scham erröten – Haarspalterei ist das –  sich die Haare raufen – über Nacht weiße/graue Haare bekommen – schwitzen vor Angst oder Aufregung – sich in seiner Haut nicht wohlfühlen – auf der faulen Haut liegen – ein dickes Fell haben – eine dünne Haut haben

Das Sehen – Die Augen

Im Vergleich zu anderen Sinnesorganen werden über die Augen überproportional viele Sinneseindrücke aufgenommen

Kurzsichtig oder weitsichtig handeln – Blind für etwas sein – Etwas nicht sehen wollen – Auf einem Auge blind sein – Löcher in die Luft starren – Die Augen „blitzen“, leuchten oder strahlen – Etwas kann ins Auge gehen – Liebe macht blind – In jemanden vergucken – mir ist etwas nicht klar – keinen Durchblick haben – es fällt mir wie Schuppen von den Augen –  Tomaten auf den Augen haben -in jemand vergucken – die Augen vor etwas verschließen. mit einem blauen Auge davonkommen – jemand am liebsten die Augen auskratzen – jemandem die Augen öffnen – kurzsichtig/weitsichtig handeln

Das Riechen – die Nase

Gefühle kann man riechen. Wenn die Nase ins Spiel kommt, hat der Verstand erst mal Pause. Düfte haben einen direkten Draht zu entwicklungsgeschichtlich uralten Zentren unseres Gehirns und umgehen damit das bewusste Denken.

Jemanden nicht riechen können – Eine feine Nase haben – Von jemandem die Nase voll haben – Einen guten Riecher haben – Verschnupft sein – mir stinkt es

Das Hören – Die Ohren

Unsere Ohren sind 24 Stunden am Tag auf Empfang. Unsere Ohren versorgen unser Gehirn mit überlebenswichtigen Signalen aus der Umwelt. Es warnt uns, gibt uns Orientierung und ist unerlässlich für soziale Kommunikation und Klänge jeder Art haben eine emotionale Wirkung.

Wer nicht hören will muss fühlen – Für etwas taub sein – Auf dem Ohr hört der nichts – Auf jemanden hören – anderen Gehör schenken – von allem nichts hören wollen – ein offnes Ohr haben – auf einem Ohr taub sein

Aufnehmen und Ausscheide

Nahrungsaufnahme, Verdauung und Ausscheidung sind lebenswichtig für den Menschen. Kein Wunder, dass viele Gedanken und Sorgen um diese körperlichen Funktionen kreisen. Heftige Gemütsbewegungen wirken sich meist negativ auf diese elementaren Vorgänge aus, während schönes Essen, unproblematische Verdauung und befriedigende Ausscheidung zum Wohlbefinden beitragen. Bevor wir etwas verdauen, müssen wir es aufnehmen, kauen und schlucken. Ärger schlägt auf die Leber bzw. die Galle. Mit dem Magen müssen wir alles verdauen, ob es uns schmeckt oder nicht. Und wenn wir es nicht verdauen, dann kotzen wir es raus: „Schlechte Verdauung kommt weniger von der Nahrung selbst als von der Stimmung, in der wir unsere Nahrung zu uns zu nehmen pflegen.“ (Prentice Mulford)

Mund und Zähne

das Wasser läuft einem im Munde zusammen – Daran habe ich noch lang zu kauen – Verbissen sein – Zähneknirschend zustimmen – Die Zähne zusammenbeißen – Sich durchbeißen – mit den Zähnen klappern – auf dem Zahnfleisch gehen (fix und fertig sein)

Halsregion

Einen dicken Hals bekommen/haben – Ein Bissen bleibt im Halse stecken – Das Wasser steht einem bis zum Hals – Sich etwas aufhalsen – Ein Geizhals oder Geizkragen sein – Den Hals nicht voll bekommen, nicht voll genug kriegen – Halsstarrig oder hartnäckig sein – Sich den Hals brechen – Den Nacken beugen – Sich den Hals nach etwas verrenken – Etwas kann den Hals kosten – Zuviel auf den Hals geladen bekommen – zum Halse heraushängen – das schnürt einem die Kehle zu – einen Kloß im Halse haben – etwas nicht schlucken wollen/können

Die Leber

Da kommt einem die Galle hoch – Es ist einem die Laus über die Leber gelaufen – sich ausgelaugt fühlen – Gift und Galle spucken – die Galle läuft über – sich grün und gelb ärgern.

Der Magen

Das liegt mir schwer im Magen – Alles in sich hineinfressen – Etwas schlägt mir auf den Magen – Mir dreht sich der Magen um – Etwas nur schwer verdauen – Etwas liegt wie ein Stein im Magen – Etwas verdirbt mir den Appetit – Mir ist zum Kotzen – Wut im Bauch – bei dem Gedanken wird mir übel – Etwas frisst, bzw. nagt etwas ständig an mir? – Wut im Bauch haben – etwas zum Kotzen finden

Stuhlgang

Jemanden anscheißen – Er ist ein „Korinthenkacker“ – Vor Angst in die Hose machen – Vor etwas Schiss haben – nicht zu Topfe/Stuhle kommen – Den Arsch zusammenkneifen – den Arsch aufreißen

Die Nieren

Etwas geht einem an die Nieren – Etwas auf Herz und Nieren prüfen – Etwas im Urin haben – Auf jemanden sauer sein

Haltung und Bewegung

Die innere, geistig-seelische Haltung eines Menschen spiegelt sich auch in seiner äußeren Haltung wider. Wenn es der Seele schlecht geht, sieht man es am gesamten Erscheinungsbild

Bewegung

Aus dem Gleichgewicht geraten – verkrampft – verklemmt – mit beiden Beinen auf dem Boden stehen – auf großem Fuß leben – nicht voran kommen – auf dem Fleck treten – man tritt uns auf die Zehen –  wir treten jemandem zu nahe

Die Haltung

Er hat einen breiten Buckel – Kein Rückgrat haben – Vor jemandem katzbuckeln – Das Schicksal hat ihn gebrochen – Ein aufrechter Mensch sein – Haltung zeigen in einer Situation – Etwas auf sich nehmen – Sich auf etwas versteifen – Sich übernehmen – alle Last der Welt auf den Schultern tragen – ein Stehvermögen haben – sich hängen lassen – aufrichtig handeln – Haltung bewahren – in den Seilen hängen – vor jemandem buckeln

Der Kopf

Den Kopf oben behalten – Sich den Kopf zerbrechen – Kopflos handeln – Den Kopf ziemlich hoch tragen – Weinen vor Kummer und Schmerz – Das macht mir Kopfschmerzen – ein Brett vor dem Kopf haben – etwas zu Kopf steigen – dickköpfig sein –  mit dem Kopf durch die Wand wollen – Kopf und Kragen riskieren – die Hände über den Kopf zusammenschlagen – sich kopfüber in etwas stürzen

Die Seele schafft sich ihren Körper. Lassen wir die Klagen der Seele raus: im Gespräch, im Schreiben, im Malen, im Musizieren.

Essay: Risiko statt Routine – Mutiger werden

Risiko statt Routine – Mutiger werden

… oder raus aus der Behaglichkeit, rein in die Gefahr

„Da bekommt jemand ein wahnsinnig gutes Jobangebot, schlägt es aus, weil er es sich nicht zutraute. Und dann sitzt eine totale Gurke auf den Posten und bekommt viel Geld für schlechte Arbeit.“ „Da wird jemand seit zwei Jahren von einer Kollegin terrorisiert. Diese denkt, weil sie älter und erfahrener ist, kann sie die andere wie eine Praktikantin behandeln. Und jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit schwört sie sich hoch und heilig, der werde ich es heute zeigen, und wenn sie mir doof kommt, kontere ich so, dass ihr die Spucke wegbleibt. Doch jedes verdammte Mal macht sie mich so klein, dass ich kusche und mich unterwerfe. Ich hasse mich dafür!!!“ „Da fragt eine umwerfend aussehende Frau nach dem Weg und lächelt einen dabei die ganze Zeit voll süß an. Und wir trauen uns trotzdem nicht, zu fragen, ob sie vielleicht Lust hätte, einen Kaffee mit uns trinken zu gehen.“ „Oder da stehen wir in einer langen Schlange vor irgendeinem Schalter oder an der Einkaufstheke. Schon seit zwanzig Minuten. Da drängelt sich doch wahrhaftig ein unverschämter Jungdynamiker nach vorne unter dem Satz „Ich hab`s besonders eilig:“ Alle schütteln den Kopf. Keiner sagt etwas.“ „Da sitzen wir mit Freunden abends in der Kneipe und amüsieren uns über einen Mann an der Bar, da er offensichtlich betrunken ist und sich kaum auf seinem Hocker halten kann. Nach dem Bezahlen greift er zu seinem Autoschlüssel und wankt in Richtung Tür. Keiner sagt was. Keiner nimmt ihm den Schlüssel weg. Wir lassen ihn einfach so in sein Schicksal hinfahren.“

Ärger über uns selbst, hämische Kollegen, verpasste Chancen, ein schlechtes Gewissen. All das bliebe uns erspart, wenn uns der Mut nicht so oft verlassen würde.

Ab morgen wird alles anders! Wer von uns kennt ihn nicht, diesen Vorsatz, mit dem wir uns Mut machen und uns das eine oder andere vornehmen. Zum Beispiel: Ab morgen mache ich reinen Tisch! Morgen sage ich meinen Kollegen im Büro einmal frisch von der Leber weg, was mich bei unserer Teamarbeit stört! Und wenn ich dieses Risiko schon auf mich nehme, dann springe ich auch gleich vom 10-Meter-Turm ins Schwimmbecken. Das wollte ich schon lange tun. Herzrasen hin oder her!

Denn sobald es so weit ist, lässt uns der Mut nur allzu schnell im Stich, und wir bekommen kalte Füße. Warum? Weil die Angst eben doch größer war, als man dachte. Also krebst man zurück, bis zum nächsten Anlauf. Oder tröstet sich mit einer Ausrede über die Mutlosigkeit hinweg.

Habe ich in meinem Leben wirklich erreicht, was ich wollte, fragen wir uns. Sollten wir nicht mutiger sein und weniger Kompromisse eingehen? Haben wir Angst, aus der Reihe zu tanzen, und am Ende alleine dazustehen? Ist es das, was uns bremst? Und allmählich dämmert uns, dass wir erst dann wieder wirklich zufrieden sein können, wenn wir den Mut fassen, etwas zu ändern, und über unseren eigenen Schatten springen. Courage ist lernbar – und Träume möchten verwirklicht werden. Wer kreativ sein will, braucht Mut. Aber auch im Leben braucht man oft Mut. Dumm nur, dass man Mut nicht im Supermarkt kaufen kann. 😉 Im Gegenteil, es ist gar nicht so leicht, gegen seine Ängste und Bedenken anzugehen. Doch es ist nicht unmöglich.

Kleine Schritte wagen. Wie jede Tugend erfordert Mut fortgesetztes Üben: In Familie und Freundeskreis, der Schule, am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit. Mit kleinen Mutproben beginnen: Sich mit der eigenen Meinung erkennen lassen, für die persönliche Überzeugung stehen, Einspruch erheben, wenn Unrecht geschieht. – Kleine Schritte verhindern, dass wir uns überfordern. Wir sollten unser persönliches Maß an Mut herausfinden und die Gegenkräfte zur Angst stärken.

Angst ist eine Kraft. Mutig handeln bedeutet nicht, furchtlos zu sein. Nur wer seine Ängste zulässt, kann Mut entwickeln, sich mit der Angst einmischen und für gesellschaftliche Veränderungen eintreten. Angst verweist uns auf die Gefahr, der wir begegnen, und vor der wir uns schützen müssen. Deshalb ist es wichtig, angstfähig zu sein.

Sachkenntnis macht mitsprachefähig. Wer sachkundig ist, kann argumentieren und stärkt sein Selbstbewusstsein. Fachliche Kompetenz ist eine Gegenkraft zur Angst und eine Voraussetzung dafür, soziale Anliegen durchzusetzen. Wir brauchen Sachkenntnis dort, wo wir von gesellschaftlichen Zuständen betroffen sind, an denen wir etwas verändern möchten.

Zusammenarbeit vermindert die Furcht. Wer öffentlich widerspricht, kann von der Mehrheit isoliert werden. Deshalb ist es hilfreich, sich mit Gleichgesinnten zu solidarisieren. Die Zugehörigkeit erleichtert es, für demokratische Grundwerte einzutreten. Der Zusammenhalt in der Gruppe richtet sich nicht gegen „Feinde”, sondern dient menschlichen Grundwerten, tritt für das Gute ein. Durch Kooperation wächst das Sachverständnis.

Sich mit Wertvorstellungen kenntlich machen. Erkennen lassen, wie wir denken, für welche Werte wir uns einsetzen, statt anderen unsere Meinung aufzwingen zu wollen. Wir vertreten glaubwürdig die eigene Überzeugung und versuchen gleichzeitig, Andersdenkende zu verstehen. Dadurch gelingt es, Überzeugungs-Machtkämpfe zu vermeiden und sich zu verständigen.

Ob man den Mut in kleinen Schritten probt oder zum großen Befreiungsschlag ausholt, ist eine Frage des Temperaments. Wer aber einmal über seinen eigenen Schatten gesprungen ist und ein Erfolgserlebnis hatte, dem fällt das nächste Wagnis leichter. Denn mit jeder positiven Erfahrung fassen wir zusätzlichen Mut.

„Mehr als Nein sagen kann er nicht.“ – „Das Nein habe ich schon. Wenn ich nichts mache, bleibt es beim Nein. Nun mache ich mich auf den Weg, um mir ein Ja, oder wenigstens ein Vielleicht zu holen.“ – „Die meisten Dinge kosten nicht das Leben, sondern nur Einsatz und Mühe.“

Bringen Sie etwas mehr Übermut in Ihr Leben. Mit jeder übermütigen Bemerkung oder Aktion verlassen Sie das Territorium der Bedrohung. In der Zeit des Übermuts sind Sie immun gegenüber jedem Bedrohungsgefühl. Die Insel des Übermutes ist weit entfernt vom Festland der Besorgtheit und Gefährdung.

Richard I. von England war ein sehr berühmter König. Er zählte zu den mächtigsten Herrschern Europas im 12. Jahrhundert. Heute ist er uns vor allen Dingen wegen seines Beinamens im Gedächtnis, der da lautet: Löwenherz. Angeblich war er ein sehr tapferer Kriegsführer und Kämpfer, was zu dieser Namensgebung betrug. Das Herz eines Löwen, dieses edlen Tieres, das bei uns vor allen Dingen mit einer Eigenschaft assoziiert wird: Mut. In welchen Situationen wünschen wir uns ein Löwenherz?

Oder ist unser Bedürfnis nach Sicherheit so stark, dass wir zum „lieber behalten“ als zum „Loslassen“ neigen? Es stimmt, wer Positionen vertritt, wird angreifbar. Aber wer keine vertritt, wird nicht wahrgenommen.

„Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer.“ Das wusste schon Seneca vor 2000 Jahren.

Ja, manchmal brauchen wir wirklich eine gehörige Portion Mut im Leben. Denn wir werden stets belohnt, wenn wir es nur wagen. Auch wenn das Ergebnis nicht genau das ist, das wir uns gewünscht haben, so ist doch eines sicher: Die Ungewissheit, die gefühlte Feigheit, die Unsicherheit, sie sind weg, denn wir haben es gewagt, wir haben es getan. Und wir haben es, einmal mehr, überlebt.

 

Essay: Markige Worte und magere Taten

Markige Worte und magere Taten

… oder warum wir lieber reden als handeln.

Telling isn’t selling – Reden ist nicht verkaufen – mit diesem Werbespruch einer Werbeagentur aus den 70er Jahren ist das Thema kurz und knapp umrissen,

Und das gilt besonders für die Deutschen. Deutschland liegt in puncto Einstellungen tatsächlich in der europäischen Spitzengruppe, aber in puncto Handeln sieht es weit weniger positiv aus.

Wir haben laut Gesetz viele Freiheiten, allerdings sind wir in wesentlichen Bereichen eingeschränkt. So darf man Kritik äußern, sich aber nicht entsprechend seiner Kritik verhalten. So lautet die wohl entscheidende Zeile aus dem Lied “Freiheit” von Holger Burner: “Kritik wollen sie nicht praktisch, nur gedacht oder geschrieben!”

„Wir“ ist nicht „Ich“. Es scheint ein großer Unterschied zwischen dem „Wir“ und dem „Ich“ zu sein. So ist die große Mehrheit zwar der Meinung „Wir Bürger müssen mehr für den Klimaschutz tun“ oder „Wir können durch unser Kaufverhalten viel bewegen“ doch praktisch tun dies nur relativ wenige. Offenbar schließt das „Wir“ die eigene Person nicht ein.

Reden ist einfacher als handeln. Faktisch handeln viel zu Wenige und das auch nur auf mehr oder weniger symbolische Weise, indem die eine oder andere Handlung gelegentlich praktiziert wird. Zwischen der allgemein bekundeten Bereitschaft und dem Routinehandeln im Alltag klafft eine gewaltige Lücke.

Alle reden über das „Was“, kaum jemand über das „Wie“

Alle reden über die Zukunft, zum Beispiel was dann zu tun wäre, kaum jemand von der Gegenwart. Ich werde … (später aber nicht jetzt, weil …)

Alle reden über die Bildung. Merkel hat dieses markige Wort geprägt: „Bildungsrepublik Deutschland“. Und was geschieht?? Wenig bis gar nichts.

Alle reden über die Umwelt, die Erderwärmung, den Klimawandel. Und was geschieht? Kaum jemand fährt langsamer oder dreht seine Heizung um 3° zurück. Obwohl das die einfachsten Wege zum Energiesparen wären.

Alle reden über die Wirtschaftskrise, Schuldenkrise, Eurokrise. Und was geschieht? Es kommen neue Ankündigungen mit noch markigeren Worten. Z. B. fordert Klassensprecher Rößler einen „europäischen Stabilitätsrat“ und ergänzt „Wir brauchen einen neuen Stabilitätspakt für den Euro“. Wo bleibt das „Wie“?

„Märkte steigen und Märkte fallen, aber das hier sind die Vereinigten Staaten von Amerika“, sagte Obama. „Egal was eine Agentur sagen mag, wir waren immer ein AAA-Land und werden es auch immer sein.“ Und in der gleichen Rede beklagte Obama „Das Problem sei der politische Stillstand in Washington.“ Und wer hat diesen Stillstand zu verantworten? Er und seine Kollegen.

Alle reden von der Chancengleichheit von Männern und Frauen als Grundsatz von Gesellschaft und Politik. 1999 erhob die Bundesregierung die Gleichstellung unter dem ebenso markigen wie glatten und nichtssagendem Begriff „Gender Mainstreaming“ zum Leitprinzip ihrer Politik. Die schlechten Ergebnisse der PISA-Studie, der Rückgang der Geburtenzahlen und der Wahlkampf haben die Ganztagsbetreuung erneut zur Chefsache gemacht. Trotzdem: Passiert ist bislang wenig.

Alle Parteien und gesellschaftliche Gruppierungen halten die schöne Fata Morgana aufrecht, jeder könne den Aufstieg schaffen. Aber in Wahrheit haben wir in Wirtschaft und Politik eine geschlossene Gesellschaft.

Aber verlassen wir das Feld der großen Politik und gehen in unser kleines Leben hinein. Glauben Sie, dort wäre es anders?

Wir haben immer mehr neue „Erfolgsdiäten.“ Amazon verzeichnet zum Thema Diät 24.301 Bücher. Gleichzeitig sind immer mehr Deutsche krankhaft dick. Und ständig werden es mehr. Der Anteil fettleibiger Männer sei von zwölf Prozent im Jahr 1999 auf sechzehn Prozent in den Jahren 2009/2010 gestiegen, berichtet die Bundesregierung. Der Anteil krankhaft dicker Frauen wuchs im selben Zeitraum von elf auf fünfzehn Prozent.

Wir haben unendlich viele Kochshows im deutschen Fernsehen. Lange Sendungen über „Wie Deutschland isst“ und gesundes Ernähren. Zur gleichen Zeit steigt die Nachfrage nach Salat aus der Tüte, nach Gemüsesuppe zum Anrühren, nach Komplettmahlzeiten in der Aluschale – das Angebot an Fertigprodukten ist riesig.

Viele Menschen haben Wünsche und Erwartungen. Die Wenigsten werden verwirklicht. Warum?

Der Hauptgrund ist wohl, dass diese Menschen nicht zwischen Wunsch und Wirklichkeit trennen können. Wie kompliziert, und wie erfolglos ihr Leben dadurch bleibt, hängt in hohem Maße davon ab, ob sie sich hartnäckig illusionären Wunschvorstellungen hingeben, statt sich und die Welt so zu sehen, wie sie wirklich sind.

Hüten Sie sich davor, Wunschdenken und Wirklichkeit miteinander zu verwechseln. Haben Sie niemals soviel Angst vor der Wahrheit, dass Sie sich weigern, sie anzuerkennen. Wunschdenker begnügen sich mit Forderungen (an andere) und mit Absichtserklärungen.

Wir reden über Absichten, über Strategien, über Maßnahmen, aber seltener über Ergebnisse. Wäre ja auch peinlich, wenn wir Ergebnisse anstrebten und dann zugeben müssten, sie nicht erreicht zu haben. Dann müssten wir ja über unsere eigene Inkonsequenz reden und Fehler einräumen.

Oft werden Ziele nicht erreicht, weil sie: Einfach zu unrealistisch sind, weil sie nicht detailliert genug sind und weil sie unkontrollierbar weit in der Zukunft liegen.

Und wer ist schuld? Natürlich die anderen.

Das alles ist nichts Neues. Schon vor über 2000 Jahren soll sich in Galiläa Folgendes abgespielt haben:

„Als Jesus weitergehen wollte, lief ein Mann auf ihn zu, warf sich vor ihm auf die Knie und fragte: „Guter Lehrer, was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?“  Jesus entgegnete: „Weshalb nennst du mich gut? Es gibt nur einen, der gut ist, und das ist Gott. Du kennst doch seine Gebote: Du sollst nicht töten! Du sollst nicht die Ehe brechen! Du sollst nicht stehlen! Sag nichts Unwahres über deinen Mitmenschen! Du sollst nicht betrügen! Ehre deinen Vater und deine Mutter!“ „Lehrer“, antwortete der junge Mann, „an diese Gebote habe ich mich von Jugend an gehalten.“ Jesus sah ihn voller Liebe an: „Etwas fehlt dir noch: Verkaufe alles, was du hast, und gib das Geld den Armen. Damit wirst du im Himmel einen Reichtum gewinnen, der niemals verloren geht. Und dann komm und folge mir nach!“ Über diese Forderung war der Mann tief betroffen. Traurig ging er weg, denn er war sehr reich.“

Der einzige Beweis für das Können ist das Tun. (Marie von Ebner-Eschenbach)

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Essay: Die Angst ist ein Meister aus Deutschland

Die Angst ist ein Meister aus Deutschland
… oder warum das Glas bei uns immer halb leer ist
Früher hatten viele „Angst vor Deutschland“. Heute haben wir „Angst in Deutschland“. Verzagtheit eine typisch deutsche Eigenschaft? Die Deutschen haben Angst, vor allem Angst vor der Zukunft. Aber nicht nur:
Sie haben Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, Angst vor der Technik, Angst und Unsicherheit, was sie noch essen dürfen. Angst vor dem Alter, Angst vor Krieg und der Klimawandel, Angst vor Pickeln und Nagelpilz, Angst davor ihr Geld zu verlieren, Angst vor Falten und Allergien, Angst vor zu viel Sonnenschein, Angst vor Radioaktivität, die so groß wurde, dass in diesem Frühjahr Geigerzähler ausverkauft waren. Angst vor Hochwasser und Angst vor Terroranschlägen. Angst vor dem Islam und Angst vor dem Papst. Angst vor steigenden Preisen und davor, im Alter ein Pflegefall zu werden. Angst vor Überfremdung, Angst vor Extremisten, Angst vor gepanschtem Essen. Angst vor Viren und Angst vor der Steuer. Und neu natürlich Angst vor Europa, vor dem Euro und vor Brüssel. Die Regierung hat Angst vor den Wählern und die Industrie hat Angst vor steigenden Kosten. Und natürlich die deutsche Urangst ums Geld.
Angst ist zunächst mal ein ganz normaler Zustand. Es gibt niemanden, der nicht auch mal Angst hat.
Angst vor Dingen und Orten ist leicht zu erkennen. Sie reicht von Angst vor Hunden über Angst vor geschlossenen Räumen bis hin zu Angst vor Krankheiten. Diese Gruppe von Ängsten wird Phobie genannt.
Soziale Ängste sind weniger leicht zu erkennen. Angst vor Zurückweisung, Angst vor Versagen oder auch Angst vor Misserfolg gehören in diese Gruppe. Sie zu erkennen ist deshalb besonders schwer, weil der Betreffende es immer wieder versteht, den Angstsituationen geschickt auszuweichen. Oder er hat sie rationalisiert, indem er in erster Linie das Fünkchen Wahrheit registriert, aber nicht seine überzogene Reaktion darauf.
Dann gibt es noch Angst vor der Angst. Hier ängstigt sich der Mensch vor einem Gefühl oder einem Gedanken. Diese Angst steigert sich, da er den eigenen Gefühlen und Gedanken nur schwer entfliehen kann. Zwanghaftes Handeln oder übertriebene Vermeidungsreaktionen können die Folge sein.
Die heimtückischste Angst ist die, die jemand vor sich selbst hat. Die Angst vor der eigenen Persönlichkeit ist schwierig zu durchschauen und deshalb auch schwer zu bekämpfen. Denn Angst vor sich selbst ist eigentlich Versagensangst aufgrund von Minderwertigkeitsgefühlen.
Jetzt reagiert jeder anders auf Angst. Da gibt es den Drückeberger, der der Angstsituation ausweicht. Oft gibt er sie nicht offen zu, sondern schlägt „bessere Alternativen“ vor. Oder der Ausreißer: Er setzt sich der Angstsituation zwar aus, sucht aber wieder herauszukommen, bevor die Angst nachlässt. Der Kopflose setzt sich Angstsituationen aus und konzentriert sich so sehr auf seine Angstgefühle, dass er nicht mehr vernünftig reagieren kann. Und es gibt natürlich auch den Schwarzseher: Er denkt an drohende Gefahren, konzentriert seine Gedanken auf das Schlimmste und verrennt sich darin.
Angst haben wir weitgehend Angst erlernt. Entweder durch ein schlimmes Erlebnis oder durch eine Vielzahl weniger tiefgehender Erlebnisse der gleichen Art. Oder wir haben es von Vorbildern gelernt: entweder von Menschen, die wir in Angstsituationen erlebt haben oder andere haben uns durch ständiges Warnen Angstgefühle beigebracht. Gefühlsmäßige Reaktionen wie Angst beschränken sich nicht auf die eine Situation, in der wir sie erlernt haben. Sie überträgt sich auch auf andere Situationen. Auch unsere Angst ist erlernt. Wir können sie demnach jederzeit wieder verlernen. Das können wir umso leichter je besser wir die Ursachen unserer Angst kennen.
An erster Stelle scheint mir das Besitzdenken zu stehen. Jede Veränderung birgt die Gefahr, dass wir unseren Besitz wieder verlieren könnten.
Unwissenheit ist eine weitere Angstquelle. Jetzt leben wir zwar in einer der bestinformierten Gesellschaften, aber diese Welt ist komplexer, undurchschaubarer geworden und viele verstehen weder das Problem noch die Lösungen. Und eine Unzahl selbst ernannter Experten liefert uns immer neue Lösungen. Und die Orientierungsschwäche unserer Politiker verschärft noch die Situation.
Wer schwierige Herausforderungen meistern will, braucht ein hohes Selbstwertgefühl. Wer durch ständiges Bedenken und Kritisieren vernünftiges Handeln verhindert, zerstört das Selbstwertgefühl und damit auch Lösungen für die Zukunft.
Das Nachdenken über den Sinn der eigenen Existenz verunsichert viele. Sollen wir Kinder in die Welt setzten? Ist das Älterwerden jetzt ein Segen oder eher doch ein Fluch?
Gut, wir Deutsche haben Untergangserfahrung. Inflation und Weltkriege haben das deutsche Selbstbewusstsein schwinden lassen. Die Lücke wurde durch Unsicherheit und Angst gefüllt, und niemand tat etwas, um dem entgegenzuwirken.
Eine der Hauptursachen für die deutsche Angst liegt im deutschen Wahn alles zu reglementieren, festzuschreiben und zu zementieren. Das hat uns in weiten Bereichen handlungsunfähig werden lassen. Und wer sich eingesperrt fühlt oder für jeden Fehler sofort bestraft werden kann, muss ängstlich werden. Wir haben zu viel auf Sicherheit und zu wenige auf Freiheit und Unabhängigkeit gesetzt. Sicherheit geht immer auf Kosten der Freiheit.
Die zweite Hauptursache scheint mir in unseren Medien zu liegen. Jeder noch so kleine, belanglose Furz wird von diesen zur Katastrophe, zur Tragödie, zum Debakel aufgeblasen. Die Medien beschwören immer neue Untergangsszenarien: Seien es Lebensmittelskandale, Asche speiende Vulkane, Grippeviren oder an sich harmlose Dinge wie angekündigte Wetterkapriolen von großer Hitze bis zu Starkschneefällen. Und die Politik liefert ausreichendes Material mit Antiterrorgesetzen, Vorratsdatenspeicherungen und mit immer neuen Reglementierungen. So treiben sich beide Ursachen gegenseitig an und bedienen die „Vollkaskomentalität“, die besonders uns Deutschen gerne nachgesagt wird.
Doch wie sagt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: „Damit wurde nur einem gefühlten Bedrohungs-Szenario Nahrung gegeben. Die Spirale aus Sicherheitsgesetzen und Symbolpolitik drehte sich immer schneller“.
Fallen die Ursachen weg, so geht auch die Angst zurück. Wir brauchen ein neues Selbstbewusstsein und vor allem wieder mehr Freiheit. Nur Freiheit schützt vor Angst. Und natürlich unsere eigene Sichtweise der Dinge: Das Glas – ist es halb voll oder halb leer?

Essay: Mut zum Nein

Mut zum „Nein“

… oder Grenzen setzen ohne Schuldgefühle

Kaum ist der Mensch geboren, so fängt die Umwelt an, seinen Willen zu brechen und ihn zum Ja-Sagen zu zwingen. Andere nennen es Erziehung. Erziehung heißt bei uns heute noch immer „angepasst sein“, das zu tun, was andere von uns verlangen. Wir tun das, was Vater und Mutter uns befehlen. Wir tun das, was die Lehrer von uns wollen. Wir tun das, was die Gesellschaft von uns erwartet. Wir beugen uns Klischees und Vorurteilen. „Ein Junge weint nicht“. „Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will.“ „Wer Erfolg haben will, muss hart gegen sich selbst sein“ u. Ä. Dieser Schwachsinn verfolgt uns unser ganzes Leben lang und wir sagen „Ja“ zu Dingen, obwohl wir in unserem Innersten laut „Nein“ schreien. Das trifft vor allem für den Beruf zu. Dort ducken wir uns und außerhalb des Firmengeländes lassen wir unsere Aggressionen frei. In unserer Familie. Im Verein. Auf dem Fußballplatz. Auf der Autobahn.

Wer fühlt sich nicht manchmal durch Freunde, Familie, Kollegen und deren Ansprüche überfordert? Wer hat nicht mal den Drang, auch mal „Nein“ zu sagen und den Mitmenschen einmal ganz konsequent zu zeigen, wo deren Grenzen liegen?

Nein zu sagen, ist schwierig. Wenn das Selbstwertgefühl fehlt und die Selbstsicherheit auf schwachen Füßen steht, dann fehlt oft auch das Selbstvertrauen, allein ihr Leben zu bewältigen. Deshalb versuchen viele, ständig und überall die Erwartungen anderer Menschen zu erfüllen. So wird es immer schwieriger, sich vor unangemessenen Forderungen und Verletzungen der eigenen Persönlichkeit zu schützen. So fällt es vielen Menschen schwer, eine Bitte abzuschlagen. Das Wort „„Nein“ “ will und will einfach nicht über die Lippen kommen, obwohl es auf der Zunge liegt. Obwohl wir genau wissen, wie wir darunter leiden, immer und zu allem „Ja“ zu sagen, schaffen wir es einfach nicht, „Nein“ zu sagen.

Aber warum fällt es bloß so schwer, „Nein“ zu sagen? Vielen Menschen graut vor den Konsequenzen ihres „Neins“. Eine Bitte abzuschlagen, könnte als unfreundlich ausgelegt werden. Man möchte vielleicht auch nicht als Spielverderber gelten und weiterhin beliebt bleiben. Mit einem „Ja“ erspart man sich die Enttäuschung des Bittstellers – eine unangenehme Reaktion bleibt so aus. Hinter der Angst vor Ablehnung steckt oftmals ein zu geringes Selbstvertrauen und wenig Selbstsicherheit. Eher würden sie noch mehr erdulden, weil sie sonst eine komplette Ablehnung als Mensch befürchten.

So bleiben viele die meiste Zeit ihres Lebens Bettler, immer auf der Suche nach Aufmerksamkeit, Gemocht-Werden, Liebe. Und so sind sie in Schwierigkeiten, wenn es darum geht, zu sich selbst zu stehen. Und nichts setzt Menschen mehr unter Stress, als ständig den Anforderungen anderer zu genügen. „Hast Du nicht mal …?“ „Kannst Du nicht mal …?“ „Mach mal …!“ „Können Sie mal eben …“

Die richtige Antwort darauf ist fast immer ein klares „Nein“. Ein „Nein“, natürlich nicht in aufsässigem, motzigem Stil. Kein unbegründetes „Nein“ um des Prinzips willen, wie wir es von trotzigen Kindern kennen. Was wir brauchen, ist ein argumentatives „Nein“. „Nein“ sagen ist ein erlernbares Verhalten. Wenn wir „Nein“ sagen, setzen wir Grenzen und erhalten dadurch mehr Raum für unsere eigenen Bedürfnisse. Ziehen wir unsere Grenzen durch Bedenkzeit, durch einfache offene Fragen, durch Anbieten von Alternativen, durch Ausdrücken der eigenen Gefühlslage.

Die einfachste Form ist, um Bedenkzeit zu bitten. Dieses Recht hat jeder. Man muss nicht auf der Stelle „Ja“ oder „Nein“ sagen, auch wenn der andere das noch so gerne möchte.

Besser ist es natürlich, wenn wir dem anderen Auswahlfragen stellen, ihm Alternativen anbieten:

Stellen wir uns vor, unser Chef ruft uns an und bittet uns, bis nachmittags um 15.00 Uhr bestimmte Unterlagen vorzubereiten. Er stellt die Sache als äußerst wichtig hin.

Nennen wir unsere Prioritäten und bieten ihm Alternative an: „Ich muss heute noch Aufgabe 1, 2, 3 … erledigen. Wenn ich das alles tue, dann ist Ihre Sache um 17.00 fertig oder reicht ihnen noch morgen Vormittag?“ Es ist jetzt vollkommen gleichgültig, was Ihr Chef antwortet. Akzeptiert er einen Ihrer neuen Vorschläge, ist die Sache okay. Lehnt er sie ab und beharrt auf seinem Termin 15.00 Uhr, dann sind wir auch nicht schlechter dran als vorher.

Nehmen wir ein zweites Beispiel. Ein Kunde ruft an und will Fakten, Spezifikation, Preise, Lieferzeiten etc. Sie möchten nicht sofort antworten, egal aus welchen Gründen. Also bieten wir ihm eine Alternative an:

„Ich stelle Ihnen alle Unterlagen zusammen, damit Sie eine umfassende Auskunft bekommen. Ich rufe Sie dann zwischen 11.00 und 12.00 Uhr an. Passt das Ihnen oder ist Ihnen heute am späten Nachmittag angenehmer?“

Üben wir dieses argumentative „Nein“ in allen Lebensbereichen. Und wir werden feststellen, dass kaum jemand sich einer doppelten Alternative entziehen kann.

Aber ziehen wir den Kreis des „Neinsagens“ etwas weiter. Wie schwer fällt es uns oft, den eigenen Unwillen zu äußern? Wie oft sind wir beleidigt, weil unsere Erwartungen nicht erfüllt werden, auch wenn wir sie gar nicht geäußert haben. Unser Gegenüber kann nicht wissen, was wir denken, sondern nur das, was wir auch aussprechen.

Nehmen wir mal an, Sie sind mit einem Freund oder einer Freundin um 17 Uhr in einem Café verabredet. Es ist 17 Uhr. Sie sind da, ihre Verabredung noch nicht. 17.15 nichts rührt sich. 17.30 Uhr: Sie beschließen, noch 15 Minuten zu warten und dann zu gehen. Genau fünf Minuten vor Ende ihrer vorgesehenen Wartezeit kommt der Freund oder die Freundin rein. Mit dem schönen Satz „Gell, ich bin ein bisschen spät dran. Du bist mir doch nicht böse?“

Statt jetzt nachzugeben und ein verdruckstes „Nein, nein, war überhaupt nicht schlimm“ herauszuquälen, verpacken wir das Ganze der Methode X-Y-Z. X: Wie sehe ich die Situation – Z: Meine Gefühle im Augenblick – Z: Wie möchte ich es in Zukunft haben?

Einfache Antwort nach X-Y-Z-Methode:

„Wir waren um 17 Uhr verabredet. Jetzt ist es gleich Viertel vor sechs. Ich habe mich über dich geärgert. Wenn dir noch mal etwas dazwischenkommt, dann ruf mich bitte an. Danke.“

Und wenn es eine ganz harte Nuss ist? Dann lassen Sie den anderen die Konsequenzen spüren. So lernt er, nicht mehr über Ihre Grenzen zu treten.

Essay: Totalitär oder liberal!?

Die Totalitären haben die längeren Schießeisen

… und welche Alternativen haben wir?

Glück, Gesundheit, Wohlstand, Arbeitsplätze, gute Rente, kostenlose Bildung, Sicherheit, Freiheit, gutes Leben … unsere Erwartungen an den Staat sind hoch, oft voller Widersprüche und unrealistisch. Trotzdem werden sie von vielen Politikern versprochen und in ihre Programme eingebunden. Und zu diesen Programmen gebe es keine Alternativen.

Machthaber im Allgemeinen werden sich hüten, genau zu definieren, was alles als alternativ angesehen werden könnte. Denn das würde ja bedeuten, dass sie Ratschläge zu ihrer eigenen Abwahl und damit Ablösung erteilen würden. Also wird man von offizieller Seite niemals hingehen und sogenannte Alternativen zu benennen.

Um diese Alternativlosigkeit zu begründen, brauchen die Herrschenden ein zentrales Feindbild, dessen drohende Schatten sie überall heraufziehen sehen. Bis Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts waren das die Linken, die Roten. „Lieber tot als rot.“ Und wer erinnert sich nicht an die Rote-Socken-Kampagne der CDU im Bundestagswahlkampf 1994. Ein letzter, gescheiterter Versuch des damaligen Generalsekretärs der CDU, Peter Hintze, das alte Feindbild neu aufzulegen.

Um eine solche Strategie wirkungsvoll gestalten zu können, müssen Politiker nicht unbedingt lügen. Obwohl schon Otto von Bismarck gesagt haben soll: „Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.“ Nein, sie erzählen nur nicht die ganze Wahrheit, betonen das, was ihnen nutzen könnte und verschweigen alles andere. Auch Hannah Arendt argumentierte, dass das bloße Sagen der Wahrheit dem Wesen der Politik widerspräche. Das Verkünden der Wahrheit sei despotisch und lasse keine Debatte zu. Kein Wunder, dass die Bevölkerung immer politikerverdrossen wird und immer weniger das glaubt, was ihnen von offizieller Seite vorgegeben wird.

Nach langen Jahren einer scheinbaren Ruhe an der Feindbildfront ist jetzt endgültig ein neuer Feind ausgemacht: die Populisten. Und auch diese arbeiten mit Feinbildern, die sie von Einzelgegnern wie die Juden, die Muslime, die Flüchtlinge, die Monopolkapitalisten immer breiter ziehen und alle, die nicht ihrer Meinung sind zum Feind des Volkes erklären, die Andersdenkenden, die Intellektuellen und natürlich die Elite. Wobei für viele schon jemand, der einen grammatikalisch und stilistisch richtigen Satz in der deutschen Sprache formuliert, zu den elitären intellektuellen zählt.

Populisten ist für mich ein nichtssagendes Wort, das inflationär gebraucht wird. Denn hinter dieser Maske der Verharmloser und Vereinfacher, dank derer wir nicht mehr differenziert nachzudenken brauchen steht ein totalitärer Herrschaftsanspruch.

Da kommen doch Leute an die Macht und das noch durch allgemeine Wahlen legitimiert, die wesentliche Elemente wie Meinungsfreiheit oder Menschenrechte aufgeben: Kaczyński in Polen, Orbàn in Ungarn, Erdogan in der Türkei, Putin in Russland, Shinzo Abe in Japan und Donald Trump in Amerika. Von Wilders und Marine Le Pen wollen wir gar nicht reden. Sie wollen eigentlich keine Revolution im Sinne eines tiefgreifenden gesellschaftlichen Strukturwandels, sondern sie nutzen Stimmungen in der Bevölkerung und teilen immer in „Wir“ und „Die da“, um darauf ihre ganz persönlichen Ideen zum eigenen Macht- und Besitzerhalt durchzusetzen. Mancher von ihnen glaubt sogar selbst daran, Politik zu machen, ohne dass es um etwas Größeres ginge, als um die eigenen narzisstischen Interessen. Und die Spitze des Widersinns ist erreicht, wenn jemand, der zum Establishment gehört, also „oben“ ist, seine Parolen aufbaut auf dem Feindbild „Ihr da oben – wir da unten“.

Ihr aller Vorläufer war Silvio Berlusconi, ein wahres Phänomen. Er wurde ebenfalls von einer tief sitzenden Zustimmung breiter Kreise getragen. Und dieses Phänomen lässt sich einfach verstehen:

Diese Typen präsentieren sich ständig als strahlende Sieger.

Sie zeichnen sich aus durch die Anhäufung von Vermögen – mehr oder weniger legal erworben, durch Bestechlichkeit, durch Willkür gegenüber den Gesetzen, durch Verachtung der anderen. Und diese destruktive Charakterstruktur entspricht tatsächlich auch der tiefen Sehnsucht breiter Kreise: „Eigentlich möchten wir selber Berlusconi sein“, sagt Roberto Saviano, Autor des Buches „Gomorrha“. Er macht darauf aufmerksam, wie verdorben die Charakterstrukturen nicht nur der Herrschenden, sondern auch der Beherrschten sind. Berlusconi und Co. können sagen: „Meine Wähler wollen mich so.“ (Seite 374)Die sogenannte Elite in Politik und Ökonomie vertritt die Interessen „ihres Volkes“. Der Mensch kümmert sich nicht mehr um sein Leben und sein Glück, sondern um seine Verkäuflichkeit.

Wie aber funktioniert das? Die Massenmedien der Herrschenden haben „im Volk“ genau das Bewusstsein geschaffen, das die eigene Karriere sichert. Das gilt nicht nur für das System Berlusconi und seine Nachfolger, sondern – auf weniger fundamentalistische, aber dennoch auf wirksame Weise – für alle Formen gesellschaftlicher Besitzstandswahrung.

Mit allen dieser Richtungen wird das Grundproblem nicht gelöst: Die Abhängigkeit und Unfreiheit der meisten Menschen. Im Gegenteil: Der Totalitarismus, eine diktatorische Form von Herrschaft wirkt in alle sozialen Verhältnisse ein. Wir brauchen nur einen Blick in die jüngere Vergangenheit zu werfen und wir sehen das nationalsozialistische Deutschland, den Stalinismus, die DDR, das Nordkorea als Prototypen totalitärer Regime, die in ihrer alles durchdringenden Ideologie nicht auf ein kritisches Bewusstsein setzen, sondern auf Überzeugungen.

In diesen Systemen gibt es keine Gewaltenteilung. Legislative, Exekutive und Judikative sind nicht unabhängig und getrennt voneinander, sondern liegen in der Hand des Diktators oder der herrschenden Partei.

Die bürgerlichen Freiheiten fallen nach und nach und die Menschenrechte werden missachtet. Keine Meinungsfreiheit, keine Medienfreiheit, de facto keine Religions- und Gewissensfreiheit, keine Freiheit der Kunst und Lehre. Das Pressewesen wird weitestgehend durch den Diktator bzw. die herrschende Partei beeinflusst. Die Meinungsfreiheit wird durch die Zensur unterdrückt oder ist gar nicht mehr vorhanden.

Oder wie Hannah Arendt in ihrem Buch Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft sagte: „Das wesentliche der totalitären Herrschaft liegt also nicht darin, dass sie bestimmte Freiheiten beschneidet oder beseitigt, noch darin, dass sie die Liebe zur Freiheit aus den menschlichen Herzen ausrottet; sondern einzig darin, dass sie die Menschen, so wie sie sind, mit solcher Gewalt in das eiserne Band des Terrors schließt, dass der Raum des Handelns, und dies allein ist die Wirklichkeit der Freiheit, verschwindet“ (Seite 958)

Dagegen müssen sich die Verfechter einer liberalen Demokratie vehement erheben. Gut, die Demokratie verspricht kein gutes Leben. Sicherheit und Freiheit lassen sich in der Demokratie nicht gegeneinander abwägen. Konsens ist kein demokratisches Ideal. Moralismus und politische Empfindsamkeit ersetzen in der Demokratie weder Argumente noch politische Konflikte.

Aber Demokratie ist der einzige rechtlich-politische Raum, in dem Menschen ihr Leben und die alle gemeinsam betreffenden Fragen aktiv und in Freiheit miteinander gestalten. Nur in einer Demokratie können wir miteinander klarkommen, auch wenn es unvereinbare Positionen gibt. Gerade wir in Gesamtdeutschland haben doch in den letzten hundert Jahren schon alle Formen erlebt. Könnte es vielleicht sein, dass die so gescholtene Parteiendemokratie einfach das kleinste Übel ist?

Wir brauchen Demokratie, weil verhindert werden muss, dass ein Egoist die anderen unterdrückt; viele gemeinsam schlauer sind als einer alleine; Entscheidungen besser akzeptiert werden, wenn alle beteiligt sind. Gegen Demokratieverdruss hilft nur mehr Demokratie. Und die Demokratie funktioniert umso besser, je mehr wir uns verantwortlich fühlen, je mehr wir uns einmischen.

Die Möglichkeiten, sich einzumischen, sind zahlreich. Vom Stadtteil bis zum Parlament, von der Schule bis zum Arbeitsplatz. Sich vor allem einmischen in die eigenen Angelegenheiten. Doch wer hat den Mut gegen den Strom zu schwimmen? Ist es nicht einfacher in der Masse der Schweigenden, Mitläufer oder Desinteressierten unterzutauchen? Kurzfristig ja! Aber langfristig ist es für jeden Einzelnen wesentlich befriedigender, dort einzugreifen, wo Not am Mann oder an der Frau ist, sich so verhalten, wie wir tatsächlich empfinden. Plappern Sie nicht nach. Zeigen Sie, wie Sie selbst denken, fühlen und handeln. Das ist die Macht, die wir brauchen.

Und entwickeln Sie ein gesundes Misstrauen. „Glauben Sie niemand, der von sich behauptet, er komme immer zum Orgasmus.“ (Brigitte Zypries)

Essay: Raus aus dem Labyrinth

Raus aus dem Labyrinth ….

… oder gibt es den Weg zum Glück

Kommen Sie heraus aus Ihrem Labyrinth, aus den verschlungenen Pfaden, von Prägungen, Vorurteilen, standardisierten Verhalten, Ängsten und Konflikten.

Sie können natürlich auch drinbleiben, stumpfsinnig immer die gleichen Pfade ablaufen, sich hilflos im Kreise bewegen oder mit dem Kopf gegen die Wand rennen. Sie können sich auch Ihren Weg nach außen suchen. Nehmen Sie auf diesem Weg den Menschen mit, den sie lieben. Leicht gesagt. Aber wie?

Keine noch so gute Ausbildung, kein noch so hoher Intelligenzquotient hilft Ihnen dabei. Solange Sie nicht in der Lage sind, die ausgetretenen Pfade zu verlassen, wird Ihr Leben öde, eintönig und langweilig verlaufen.

Manche Menschen fühlen sich dem Leben eher ausgeliefert, sind passive und machen für ihr persönliches Glück oder Unglück überwiegend die äußeren Umstände verantwortlich, die sie jedoch als gegeben und unveränderlich hinnehmen. Sie reagieren auf Situationen und Ereignisse, ohne selbst aktiv darauf einzuwirken und sie zeigen einen chronischen Mangel an Bereitschaft, etwas gegen ihre Lage zu unternehmen.

Andere Menschen sind in hohem Maße bereit, ihre Probleme und Lebenslagen aktiv und selbst gestaltend anzugreifen, um sich selbst ihre Grundlage für psychische Gesundheit und für ihr Glück zu bauen. Dabei besitzen sie eine gewisse Abendteuerlust und eine Bereitschaft, sich ins Unbekannte vorzuwagen und Risiken einzugehen – eine Haltung, die fast automatisch ihre Phantasie entriegelt.

Deshalb:

Sich selbst entfalten: Persönlichkeit ist nie fertig. Sie entwickeln, verändern sich ständig. Ob Sie es wahrhaben oder nicht. Jeder neue Tag, jede Begegnung bringen Ihnen neue Erfahrungen, andere Einsichten, zusätzliches Wissen. Ob diese Entwicklung dann in die von Ihnen gewollte Richtung führt, liegt nur noch an Ihnen. Folgende Voraussetzungen brauchen Sie:

  • Eine klare Standortbestimmung (Wo stehe ich?)
  • Eine eindeutige Zieldefinition (Wo will ich hin?)
  • Eine Analyse der Differenzen (Was muss ich dazu tun?)

Um die Ecke denken: Niemand wird als Durchschnittstyp geboren. Jeder hat das Potential, etwas Besonderes zu sein. Und jeder hat die Kraft dazu. Er muss sie nur wecken. Nur wer überraschend neu und anders denken kann, hat gute Chancen, dass sein Leben erfüllter und abwechslungsreicher wird.

 

 

Essay: Nicht alles was ist, hat einen Sinn

Nicht alles was ist, hat einen Sinn …

… oder warum wir lieber ein Bier trinken gehen sollen.

Manchmal scheint das Leben eine Hölle von dunklen Tagen zu sein, und wir fragen uns: Warum gerade ich? Warum gerade das? Warum gerade jetzt? Warum?“ „Warum bin ich so krank?“, „Warum geht es mir so schlecht?“, „Warum…?“ Was ist richtig, was ist falsch? Gut oder schlecht? Warum man selbst vom Pech verfolgt wird und andere angeblich nicht, beruht auf einer subjektiven Einschätzung, die sich nicht beweisen lässt

Also liefert das „Warum?“ keine Antwort, es sei denn eine Schuldzuweisung, die niemand etwas nützt und ungerechtfertigt sein kann, sondern das Warum ist der Beginn des Grübelns, in dem wir die Realität immer mehr aus den Augen verlieren … eine einsame Angelegenheit, bei der wir immer mehr auf ein Abstellgleis geraten. Was kann uns in Zeiten der Verzweiflung noch Zuversicht geben.

„Alles hat einen Sinn. Am Ende wirst Du sehen das alles für irgendetwas gut war.“ Es lässt sich in allem einen Sinn finden, wenn man nur lange genug danach sucht. Sinn ist menschliche Interpretation, um negative Lebensvorgänge erträglicher zu machen. In einem Menschenleben geschehen einfach Dinge, die man positiv, andere, die man negativ interpretiert.

Die Motten kreisen ums Licht, orientieren sich nachts am Mond, erliegen auf dem Weg einer Illusion und kreisen anschließend stundenlang um eine Laterne.

Epikur, der große griechische Philosoph rät uns, aus dem Kreisen ums Licht soviel Genuss wie möglich herauszuholen, obwohl dahinter nur Leere gähnt.

Viele benutzen Schicksal und höhere Mächte als Beruhigungsmittel, weil sie nicht damit klarkommen, dass sie auf sich selbst gestellt sind. Viele schaffen es mit Religion sich einen Sinn für bestimmte Ereignisse einzureden. Oder sie verweisen auf das Leben nach dem Tod, in dem alle Scheinhaftigkeit abstreifen und in die unvergängliche Wahrheit eingehen.

Andere Utopisten, die der Wissenschaft und der Technik verfallen sind, hoffen, dass wir so lange an naturwissenschaftlichem Fortschritt basteln, bis wir dem Tod seine biologischen Grundlagen entziehen, um dann das Leben im Hier und Jetzt zu feiern

Aber man kann sich die Wahrheit nicht einfach herdichten. Viele tun es trotzdem, weil sie Angst vor der Freiheit, also der Unabhängigkeit, vor der eigenen Verantwortung haben, weil sie ihre innere Freiheit nicht wahrnehmen und das äußere Schicksal nicht annehmen will.

Unser Leben geschieht HIER und JETZT. Nicht gestern, nicht morgen und auch nicht in einer anderen Welt.

Ein Fabrikbesitzer aus Deutschland geht am Strand seines Ferienortes in Süditalien spazieren. Er, bemerkt einen jungen Mann, der auf der Hafenmole liegt und sich die Sonne auf den Bauch scheinen lässt. Neugierig, wie ein Mensch am frühen Vormittag in aller Ruhe so viel Müßiggang nachhängen kann, sagt der Fabrikbesitzer: Sie sind bestimmt arbeitslos, weil sie jetzt schon hier müßig rumhängen können.“

„Nein ich bin nicht arbeitslos. Ich bin Fischer.“

„Und warum fischen Sie nicht?“

„Hab ich schon. Ich bin heute Morgen um vier Uhr rausgefahren und war um sieben Uhr zurück, habe ausgeladen, das Boot gereinigt und nun genieße ich die Sonne.“

„Aber sie hätten ruhig noch mal rausfahren können, so hätten Sie doppelten Fang.“

„Warum?“ fragt der Fischer

Der Fabrikant zückt seinen Taschenrechner, fragt nach Mengen, nach Preisen, kalkuliert, überlegt:

„Dann könnten Sie sich in zwei Monaten ein größeres, moderneres Boot kaufen, weiter rausfahren, mehr Fische fangen:“

„Und dann?“

Wieder beginnt der Fabrikant zu rechnen, zu kalkulieren, zu planen:

„Dann könnten Sie sich im Laufe der Zeit eine Reihe von Booten zulegen, Leute einstellen und in vier Jahren wären Sie hier das größte Fischereiunternehmen.“

„Ja und dann?“

Neues Rechnen, neue Pläne:

„Sie wissen, ja, dass das eigentliche Geld mit der Verarbeitung verdient wird. Sie könnten eine Halle bauen, Fische verarbeiten, Konserven herstellen, ja ganz Europa könnten Sie mit Ihren Fischprodukten beliefern.“

„Ja und dann?“

„Wenn Sie das noch weitere 15 Jahre machen“ wieder hektisches Rechnen „Ja dann könnten Sie sagen „Ich habe es geschafft.“

„Na und was habe ich davon?“

„Dann, junger Mann, dann könnten Sie sich ruhig in die Sonne legen und den Tag genießen.“

Tja, jeder hat so seine eigenen Vorstellungen. Egal was andere Menschen sagen, es sei das Richtige. Sie haben getan, was ihnen richtig und richtig erschien. Du musst das tun, was dir richtig erscheint.

Was macht dir Freude? Folge dieser Spur. Das Leben gibt Dir das, was Du erwartest. Mit der Ungewissheit zu leben, ist nicht immer ganz einfach, gehört aber zu jedem Leben dazu wie das Atmen. Machen wir uns nicht auf die Suche nach dem Sinn des Lebens. Das macht nur Stress. Es gibt keinen Sinn des Lebens. Leben wir einfach. Leben wir am besten unter und mit anderen. Gehen wir lieber ein Bier trinken.

Essay: Fühlen und Denken statt Zählen

Fühlen und Denken statt Zählen

… oder warum wir lieber auf unseren Bauch hören sollten

Unser Leben, unsere Gesellschaft, unsere Welt werden immer komplexer. Komplexe Systeme haben eine große Zahl von verschiedenen Elementen, die in einer gemeinsamen Geschichte „irgendwie“ dynamisch aufeinander ein- und zusammenwirken. Diese Wirkungen sind weder klar zielorientiert, noch folgen sie festen Regeln. Damit sind schwer zu durchschauen. Natürlich suchen wir nach einfachen Lösungen und Beschreibungen. Diese finden wir im Zählen. Wachstumszahlen, Kontostände, Blutwerte und andere liefern uns scheinbare Klarheit. Dabei kommt das Denken zu kurz.

Jeder denkt. Bei jedem laufen elektrochemische Vorgänge im Gehirn ab. Sie werden genährt von Wissen, Halbwissen, Ängsten, Vorurteilen und Oberflächlichkeiten. So entstehen, manchmal lautlos, öfters dröhnend donnernde Wortblähungen, selten neutral oder wohlriechend, sondern meistens übelriechend. Brauchen diese Denkvorgänge andere Materialien, andere Rohstoffe? Nein, wir haben mehr Informationen als wir je verarbeiten können. Der Verdauungsprozess dieser Fakten, unsere Denkprozesse müssen sich grundlegend ändern.

Nein, schreien die Wertkonservativen, wir haben keine Werte mehr, die alten Werte oder Tugenden müssen wieder her. Und dabei waren sie es selbst, die die Werte auf dem Altar des eigenen Vorteiles geopfert haben und zu leeren Floskeln haben verkommen lassen. Und alle, die aufgrund ihrer eigenen Ohnmächtigkeit sich ganz und gar dem „law-and-order“-Gedanken verschrieben haben, brüllen begeistert ihre tumbe Zustimmung.

Und die Neoliberalen wollen sich noch von den notwendigen, letzten halbwegs funktionierenden Regeln gesellschaftlichen Zusammenlebens befreien und sehen in absolut freien Märkten die allumfassende Lösung, die – welch ein Zufall – gerade dem Durchsetzen ihrer eigenen Interessen dient.

Und die andere Gruppe der Warmduscher und weichgespülten Leisetreter kann sich nie so richtig entscheiden. Sie wägen ab, ohne eine funktionierende Waage zu haben. Sie bereden und wenden die Dinge so lange hin und her, bis ein glatt geschliffenes Nichts als Minimalkompromiss herauskommt. Und dabei belächeln sie mit überlegenem Kopfschütteln die wenigen, radikalen Weitsichtigen. Und sie versuchen und schaffen es auch, diese mit allen legalen und illegalen Mitteln mundtot zu machen.

Und eines der legalen, unauffälligen und subtilen Mittel ist es, über Nebenkriegsschauplätzen die Menschen abzulenken, dumm zu halten und am wirklichen Nachdenken und erst recht am Voraus-Denken zu hindern.

Nur was sich rechnet, zählt heutzutage. Dabei geht es eigentlich um Alles: Es geht um Orientierung.

Vielen genügt Technologie. Aber Technologie hat oft wenig mit Bildung, sondern viel mit Automatismen, Logiken, Zahlen, aber nicht mit Verhältnissen und Denken zu tun.

In der gegenwärtigen Welt lieben wir die vordefinierte Matrix, die Schablone, die nur noch das erfasst, was gesehen, gemessen und gezeigt werden kann. Komplexität wird möglichst ausgeklammert, simple Zusammenhänge gezeigt. Diskutiert wird nur über das „Wie“ und nicht über das „Warum“.

Keine andere Zeit als die unsere zeichnet sich durch einen derart großen menschlichen Erfahrungsverlust aus.

Die große Philosophin Hannah Arendt schrieb schon vor über 50 Jahren anlässlich ihrer Analyse des nationalsozialistischen Regimes: „Das Lästige an den Nazi-Verbrechern war gerade, dass sie willentlich auf alle persönlichen Eigenschaften verzichteten, die sie zu Menschen machten, ganz so als ob dann niemand mehr übrigbliebe, der entweder bestraft oder dem vergeben werden könnte. Immer und immer wieder beteuerten sie, niemals etwas aus Eigeninitiative getan zu haben; sie hätten keine wie auch immer gearteten guten oder bösen Absichten gehabt und immer nur Befehle befolgt.“ Ein Niemand eben.

Früher – früher war ja bekanntlich alles besser – ja, früher dachten die Menschen noch. Mag sein. Das zu beweisen oder das Gegenteil davon, würde zu nichts führen. Das eine würde dazu führen, die alten Zustände wiederherzustellen. Das andere würde vom Grundsatz auszugeben, dass Menschen doch nur eine Art „unverständiges Wesen“ sei und nichts dazu lernen könnte.

Wie hat „früher“ der Mensch gelernt, denken gelernt? Er musste sich auf oft mühsamen und langwierigen Wegen seine benötigten Informationen zusammensuchen, seine Erfahrungen sammeln und über den ständigen Kreislauf „Versuch-und-Irrtum“ seine Weisheiten erlangen, die Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben, die ihn mit sich und seiner Umwelt halbwegs passabel zu Recht kommen ließen. Und hatte er für sich seine passende Lösung gefunden, dann konnte er mit ruhigem Gewissen und ohne größere Angst vor Veränderungen bei gleichem Erkenntnisstand den Rest seines Lebens mehr oder weniger geruhsam verbringen.

Dieses System hat der Mensch bis heute nicht geändert. Mit einem kleinen Unterschied: sein Umfeld wandelt sich rasend schnell und alle Informationen, die er notwendig hat, stehen ihm einfach, schnell und eigentlich gebrauchsfertig zur Verfügung. Eigentlich – wenn er denn von ihnen Gebrauch machen würde. Aber genau das ist sein Dilemma: Er kann sie nicht nutzen. Weil er sie nicht zusammensuchen muss, fehlt ihm die Erkenntnis tieferer Zusammenhänge und er glaubt, da ja alle Informationen vorliegen, er werde dadurch jede Situation beherrschen. Er hat nämlich gelernt Informationen anzusammeln und nicht, sie auszuwerten oder zu verwerten. Und in unserem überkommenen Schul- und Bildungssystem wird das noch gefördert.

Wir müssen nicht Wissen gewinnen, sondern Erkenntnisse. In unseren Schulen wird der Schwerpunkt auf Lernen und Wissensvermittlung gelegt. So wie früher, als wir noch in einfachen, durchschaubaren Systemen lebten. Und zum Hohn der Lehrer, dass im Zeitalter von Wikipedia mehr Wissen zur Verfügung steht, als er selber nicht einmal in zehn Leben unterrichten könnte.

Auf der Strecke bleiben bei dieser Form die Intuition, das Entwickeln von Gespür für Situationen und die Unterscheidungskraft von „Wichtig“ und „Unwichtig“. Natürlich soll jedes Kind Lesen, Schreiben und Rechnen lernen. Darüber hinaus sollte es aber auch lernen Hintergründe, Absichten, Zwischentöne zu erkennen, lernen auf sein Gefühl zu hören. Und genau das wird nicht nur vernachlässigt, sondern fehlt gänzlich.

Intuition ist etwas, dass wir nicht zu lernen brauchen. Wir besitzen sie bereits. Lösen wir uns vom einfachen Zählen und simpler Technologiegläubigkeit. Nehmen wir uns ein Beispiel an kleine Kinder, die noch nicht sprechen, die also noch mehr „ihren Bauch“ als ihren „Kopf“ benutzen. Hier sehen wir Intuition. Auch uns ist die Intuition nicht verloren gegangen. Sie schlummert nur. Wecken wir sie auf. Lassen wir das Denken still werden. Dann spüren wir wieder unsere Intuition. Und jeder fühlt sie anders. Für den einen ist es ein Gefühl, ein Unbehagen, das warnt. Für den anderen sind es die Schmetterlinge im Bauch, weil er die richtige Antwort gefunden hat. Oder es ist der helle Blitz, der ihnen sagt: Das ist es.

Egal wie wir es nennen ob Ahnung oder Gefühl, die Intuition hilft dabei, uns unseren Weg durch unser Leben zu weisen. Wir achten oder verlassen uns nicht immer auf unsere Intuitionen und verdrängen diese auch öfters. Wenn wir aber mehr auf unser „Bauchgefühl“ hören, kann das unser Leben positiv verändern.

Der französische Denker Joseph Joubert notierte um 1800: Der Verstand kann uns sagen, was wir unterlassen sollen. Aber das Herz kann uns sagen, was wir tun müssen.

Essay: Leben und leben lassen

Leben und leben lassen

… oder wie liberal ist unsere Gesellschaft

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – liberté, égalité, fraternité: Was ist aus diesem Leitsatz der Französischen Revolution geworden? Was ist aus den Liberalen und dem Liberalismus geworden?

Ursprünglich geht „liberal“ auf das lateinische „liberalis“, „eines freien Mannes würdig, edel, vornehm, anständig“ zurück und kam im ausgehenden 18. Jahrhundert als französisches Fremdwort nach Deutschland. Hier bedeutet es „frei“ und meint einen jener Werte, den die Französische Revolution erkämpft hatte.

Der Liberalismus war im 19. Jh. eine weltweite politische Bewegung des aufstrebenden Bürgertums, die allerdings in Deutschland politisch weitgehend machtlos blieb. In der sogenannten Deutschen Revolution von 1848 scheiterte das Bürgertum bei dem Versuch, eine politische Führungsrolle in Deutschland zu übernehmen. Die industrielle Entwicklung in Deutschland und der Ausbau des Wirtschafts-Liberalismus fanden auf der Basis eines konservativen, obrigkeitsstaatlichen Staatsverständnisses statt. Und aufgrund des sozialen Elends wurde ein konservativer Sozial-Staat aufgebaut. In der Weimarer Republik zerfiel der politisch gespaltene Deutsche Liberalismus weitgehend. Er gewann erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Gründung der FDP als liberaler Partei wieder an Bedeutung, die sich weniger aus der Größe der vergleichsweise kleinen Wählerbasis, sondern durch die fortgesetzte Regierungsbeteiligung erklärt.

Wirtschaftspolitisch wies der Liberalismus dem Staat die Aufgabe zu, die notwendigen Rahmenbedingungen für einen freien Wettbewerb zu schaffen und durch regulierende Eingriffe in die wirtschaftlichen Prozesse dafür zu sorgen, dass der Wettbewerb aufrechterhalten bleibt. Diese Variante des Liberalismus wurde vor allem von Walter Eucken in der Freiburger Schule des Ordo- oder Neo-Liberalismus entwickelt.  Ihr wichtigster politischer Vertreter war Ludwig Erhard, der zusammen mit A. Müller-Armack die sogenannte Soziale Marktwirtschaft begründete.

Die programmatische Wende zum „Sozialen Liberalismus“ der Freiburger Thesen (u. a. Werner Maihofer) erfolgte 1971 unter dem Vorsitzenden und späteren Bundespräsidenten W. Scheel. Die Rückkehr ins Mitte-Rechts-Spektrum und zum Wirtschaftsliberalismus (1982) wurde von Hans-Dietrich Genscher und Otto Graf Lambsdorff vollzogen. Und unter Guido Westerwelle verkam das Liberale zu einer reinen Steuersenkungs- und Klientelpartei.

Im heutigen allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter „liberal“ eine tolerante, lockere, freie, bewegliche Einstellung, die sich gegen jede Form von Starrheit richtet.

Aber gehen wir zu den ursprünglichen Forderungen zurück:

Unter Freiheit innerhalb einer Gesellschaft versteht man die Möglichkeit jedes Einzelnen, sich so zu entfalten und so zu leben, wie er es für richtig hält. Freiheit des Individuums z. B. Glaubens-, Meinungsfreiheit begrenzt die Reichweite staatlicher Gewalt. Wobei die Freiheit des Einzelnen aber dort endet, wo die Freiheit eines anderen Individuums beeinträchtigt wird. Freiheit ist nicht gleichbedeutend mit Individualismus oder gar Egoismus. Aber warum schränkt der Staat über die Maßen die Freiheit des Einzelnen oder gar aller ein? Vorratsdatenspeicherung, Videoüberwachung, Rauchverbot, Echtzeit-Überwachung im Internet, Einsicht in Bankkonten von jeder Behörde aus, E-Reisepass, E-Personalausweis, Bewegungsprofil aus überwachten Handys. Alle Bank-, Steuer- und Flugdaten werden massenhaft gesammelt und umstandslos weitergereicht. Einfach so, ohne Verdacht. Also wo ist sie, die viel gepriesene Freiheit in unserem Land.

Das Wort Gleichheit ist vielen zuwider. Klingt es doch zu sehr nach Gleichmacherei, nach den Linken, die fordern, jeden Bürger auch noch wirtschaftlich auf gleiche Ebene zu stellen. Menschen sind nicht gleichartig, sondern gleichwertig. Und sie sind auch nicht gleichberechtigt, aber jeder hat seinen Platz in der Gesellschaft. Aber viele sehen sich nicht mehr als einen solchen kleinen Teil eines wichtigeren Ganzen. Es geht ihnen um andere Dinge, die nur sie selbst betreffen.

Alle Menschen sind gleich viel wert, unabhängig davon, welche Arbeit sie tun, wie begabt oder unbegabt sie sein mögen, wie gesund oder krank sie sind. Das gibt den Menschen eine Sicherheit – innerlich wie äußerlich – wie es kaum eine andere geistige Haltung zu geben vermag. Aber wo finden wir noch diese Überzeugung?

Alle Menschen sind gleich, niemand darf benachteiligt oder bevorzugt werden – das Grundgesetz macht es möglich. Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben und Weltanschauung, Behinderung: Nichts von dem dürfe zu ungleicher Behandlung führen. Jedenfalls steht es so auf dem Papier. Und wie sieht es in der Praxis aus?

Menschen, die keine Arbeit mehr finden können, sind Schmarotzer. Und nicht nur das: In unserer ökonomisierten Welt wird der Mensch zum Produktionsfaktor herabgestuft. Alle Menschen sind gleich: aber nur, wenn sie Arbeit haben und etwas leisten!

Die Brüderlichkeit ist ein sehr viel mehr umfassender Begriff als Freiheit oder Gleichheit. Vielleicht sollten wir ihn, nicht nur wegen der Geschlechtsneutralität durch Solidarität ersetzen. Das Prinzip der Solidarität richtet sich gegen die Vereinzelung und Vermassung und betont die Zusammengehörigkeit, die gegenseitige Mitverantwortung und Mitverpflichtung. Sie bezeichnet den Zusammenhalt einer Gesellschaft.

Jetzt könnten wir natürlich den bekannten Satz von Augustinus ins Spiel bringen, „Liebe Deinen Nächsten, und tue, was Du willst.“ Klingt einerseits verlockend einfach, dass man alle Gesetze ignorieren kann und nur noch nach einem einzigen Gebot leben soll. Ich muss meinen Nachbarn nicht lieben, aber ich kann versuchen mit ihm auszukommen. Miteinander leben und aufeinander hören, das reicht schon.

Die politischen Eliten, die Vorreiter eines selektiven Denkens, haben Demokratie, Menschenwürde, Toleranz, Freiheit, Sicherheit zu leeren Worthülsen verkommen lassen. Sie nähren damit Unzufriedenheit, Hass, Neid, Missgunst, Kontrollwahn nicht nur bei den Regierenden, sondern auch bei den Bürgern. Deshalb „gängeln“ vor allem wir Deutsche so gerne.

Üben wir den Liberalismus in unserem täglichen Leben. Lassen wir jedem seine Eigenarten und Eigenheiten. Ob Burka oder Mini, ob Krawatte oder Piercing, ob hetero, schwul, lesbisch oder bi, ob dick oder schlank, ob gottgläubig oder Satansanbeter, ob Heavy Metal oder Barockorchester, ob Pop oder Jazz, versuchen wir nicht, die Menschen zu ändern. Wenn wir jemand ändern wollen, dann haben wir genug damit zu tun es bei uns selber zu versuchen. Dann stirbt auch der Liberalismus nicht und es gilt weiterhin der unbequeme Satz von Marion Gräfin Dönhoff:

„Der legitime Platz des Liberalen ist zwischen allen Stühlen. Es darf ihn nicht kümmern, wenn er von allen Seiten beschimpft wird. Wer stark genug ist, den Vorwurf der Linken zu ertragen und vor der Rechten nicht in die Knie zu gehen, der kann auch der Zukunft getrost entgegensehen – selbst wenn der Liberalismus immer wieder totgesagt wird.“